Press-Schlag: Viel Lärm um nichts
■ Die unendliche Tenniskooperation
Ende September 1984 kämpfte in Berlin ein Häuflein aufrechter Tenniscracks mit solch exotischen Namen wie Popp, Maurer oder Westphal gegen Rumänien um den Klassenerhalt in der Davis-Cup-Weltgruppe. Gerade mal 200 Leute mochten den etwas ungelenken, aber erfolgreichen Bemühungen zusehen. Wenige Monate später gewann ein 17jähriger Leimener Wimbledon, und alles wurde anders. Der Deutsche Tennis Bund (DTB) gelangte zu Reichtum und Berühmtheit, sein Präsident Claus Stauder wurde zu einem renommierten Sportführer und fürchtet nichts so sehr wie den Rückfall in jene finsteren Zeiten, die Boris Becker im Handstreich auf den Müllhaufen der Sportgeschichte fegte.
Einen kleinen Vorgeschmack brachte 1994 das Hamburger Halbfinale gegen Rußland. Nach all den fetten Jahren gab es ohne Becker erstmals wieder leere Plätze auf den Rängen, auch im Fernsehen mochte kaum jemand zuschauen, und seither kennt der DTB nur einen Gedanken: Boris muß her. Doch der ist, was den Davis-Cup betrifft, inzwischen äußerst ungnädig, stichelt gegen potentielle Mannschaftskollegen, möchte möglichst bloß im Finale spielen und verweist ansonsten auf seinen Anwalt Meyer-Wölden.
Vor zehn Jahren noch hätte Herr Stauder, wäre er nicht so wohlerzogen, kurz den Effenberg-Finger gereckt und gesagt: Bauen wir eben auf den Nachwuchs! Aber da bekam sein Verband auch nicht 125 Millionen Mark vom TV-Rechteverwerter UFA. Der dementiert zwar heftig jede Einflußnahme, aber der DTB weiß, daß es so viel Geld nach weiteren Flops à la Hamburg kaum noch geben wird. So rutscht man also seit Wochen vor Boris Becker auf den Knien, um wenigstens jene Merkwürdigkeit auszuhandeln, die erst mit Stich und jetzt offenbar auch mit Becker unter Dach und Fach gebracht wurde: einen Kooperationsvertrag. Was bedeutet: jede Menge Geld für nichts im Falle Stich, jede Menge Geld für noch weniger im Falle Becker. Stich muß ja für seine 4,5 Millionen Mark in drei Jahren wenigstens beim Ausbau der Anlage am Hamburger Rothenbaum als „Berater“ fungieren. Herauskommen wird mutmaßlich eine Hundehütte für seine treue Turnierbegleiterin, den Bobtail Tessa.
Dunkel bleibt indes der Sinn des ganzen Kooperationstheaters. Der DTB ist – Vertrag hin, Vertrag her – weiter völlig Beckers Willkür ausgeliefert, denn eine Absichtserklärung, im Davis-Cup zu spielen, gibt es nur mündlich. Beim braven Stich genügt dies dem Verband vollauf, dem anwaltlich mißratenen Becker aber traut man nicht über den Weg, zumal er permanent herumposaunte, daß er keinesfalls für jedes Davis- Cup-Match zur Verfügung stehen werde. Am allerwenigsten für das gegen Kroatien Anfang Februar in Karlsruhe, welches nun „wirklich sehr schlecht“ liege. Da wußte er allerdings noch nicht, daß er bei den Australian Open, ebenso wie Kroatiens Nummer 1, Goran Ivanisević, in der ersten Runde ausscheiden würde. Kommt Becker trotzdem nicht, bleibt dem DTB nur noch eine Möglichkeit: sofortige Nominierung des Ivanisević-Bezwingers Carl-Uwe Steeb. Mit Kooperationsvertrag, versteht sich. Matti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen