: Hoffnung auf Verhandlungen
■ Rußlands Premier Tschernomyrdin soll mit Vertretern Grosnys sprechen
Moskau (taz) – Verbindlicher und weniger herrisch als zuvor bot Rußlands Premier Viktor Tschernomyrdin am Dienstag abend in einer Fernsehansprache den Tschetschenen einen Waffenstillstand und gleichzeitige Aufnahme von Friedensverhandlungen an. „Wir schlagen vor, Verhandlungen sofort und mit allen interessierten Kräften in Tschetschenien zu beginnen“, sagte der Premier in einem überaus feierlichen Ton. Hauptziel sei ein Ende des Blutvergießens.
Er gestand offen ein, daß die Kosten des Feldzuges sich auf mindestens 1,5 Milliarden US-Dollar belaufen werden, dennoch beruhigte er seine Landsleute, an der Strategie wirtschaftlicher Stabilisierung für 1995 werde nichts umgeworfen. Tschernomyrdin hatte sich aus der Krise um Tschetschenien auffallend herausgehalten. Erst in der letzten Woche wurde er mit der Koordination betraut, nachdem sein Vizepremier Soskowez offenkundig nicht mehr auf das Wohlwollen Jelzins bauen konnte. Nach Informationen aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen soll Tschernomyrdin nach der Entscheidung des Politbüros, namens Sicherheitsrat, die Armee in Grosny für Ordnung sorgen zu lassen, einen Tobsuchtsanfall bekommen haben. Die Übergabe der Verantwortung des tschetschenischen Debakels an ihn wertete man vor Ort als einen ersten Schritt des Einlenkens und Positionsverlust der „Kriegspartei“ im Kreml. Verhandlungen sollten sich zunächst konzentrieren auf „ein Moratorium von Truppenbewegungen und schwerem militärischem Gerät, die Beendigung des Artillerieeinsatzes, des Gebrauchs von Raketen, aufgerüsteten Fahrzeugen und anderen schweren Waffen in der Kampfzone“, hieß es in der Erklärung.
Ebenfalls am Dienstag abend trafen Repräsentanten Grosnys in Moskau ein. Auch sie haben den Entwurf eines Waffenstillstandsplanes mitgebracht. Details teilten sie nicht mit. „Unsere Aufgabe ist sehr konkret und klar – das Blutvergießen zu beenden und einen Weg zu finden, um das Schießen einzustellen“, sagte der Delegationsleiter Wirtschaftsminister Taimas Abucharow. Zwei Tage zuvor hatte die tschetschenische Gesandtschaft bereits mit Vizepremier Sergej Schachrai und dem stellvertretenden Nationalitätenminister Wjatscheslaw Michailow konferiert. Schachrai gehörte ursprünglich zu den Befürworten einer gewaltsamen Lösung in Grosny.
Tschernomyrdin wollte ein Treffen mit den Tschetschenen von ihrer Reaktion auf das Kremlangebot abhängig machen. Die Delegation begrüßte den Vorschlag, in Vorgesprächen schienen beide Seiten gewisses Entgegenkommen zu zeigen. Nach Aussagen Abubucharows bestätigte Tschernomyrdin, daß, worüber man jetzt spräche, „sich in Richtung einer friedlichen Beilegung dieses Konfliktes durch alle interessierten Parteien bewege“. Gleichzeitig machte der Tschetschene klar, seine Delegation werde nicht unendlich auf eine Audienz beim Premierminister warten. Er warnte davor, den tschetschenischen Präsidenten Dudajew und seine Regierung nicht ernst zu nehmen. Deutliche Hinweise, daß Grosny nicht bereit sein wird, von Moskau inthronisierte Übergangsregenten zu akzeptieren. Bis zur Stunde war unbekannt, ob das Treffen zustande gekommen sei.
Kosyrew und Christopher in Genf
Die Außenminister Rußlands und der USA, Warren Christopher und Andrej Kosyrew, trafen unterdessen zu Gesprächen über den Tschetschenien-Krieg in Genf ein. Christopher erklärte, er werde von Kosyrew ein rasches Ende des Tschetschenien-Krieges fordern. Zugleich rief er die tschetschenische Führung auf, Tschernomyrdins Verhandlungsangebot anzunehmen. In Grosny ist es den tschetschenischen Truppen nach eigenen Angaben gelungen, das 500 Meter vom Präsidentenpalast entfernt liegende Erdölinstitut zurückzuerobern. Klaus-Helge Donath
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