■ Filmstarts à la carte: Up from down under
Es gibt einen gewissen Nimbus um den Radio-Mann im Film; vom Kino aus gesehen ist natürlich sein Job auch beneidenswert immateriell. Alles versendet sich von Sekunde zu Sekunde, einsam thront der Sprecher in seinem Glaskasten wie ein seltenes Tier im Zoo. Face in the Crowd war womöglich die erste Illustration dieses Mythos, am klarsten vielleicht hat ihn Talk Radio präsentiert.
Das Schlüter zeigt heute abend Good Morning Vietnam. So lautete der Urschrei, mit dem ein gewisser DJ die Jungs an der Front begrüßte. Der Film begründete aus verschiedenen Gründen, die zu ergründen ich mich gründlich, ach! Ruhm und Ehre des Schauspielers Robin Williams, der einer der wenigen seines Schlages war, die überhaupt in der Reagan-Ära so was wie virile Angst & Melancholie überhaupt durchschimmern ließen. Unter dem aufmunternden Schrei, den der DJ am Morgen aus roter Kehle stößt, verbirgt sich Angst und pazifistischer Abscheu gegen die Unternehmungen der Nation. Man will ihm ans Leder, aber eine Frau von dort liebt ihn – ohne das allerdings zu dürfen.
Bei dieser Gelegenheit macht sich wieder mopsig ein sogenanntes „guilty pleasure“ breit: Ich mag Vietnam-Filme. Die knatternden Hubschrauber (auch gern ohne Wagner), die Schleichtouren durch den Dschungel (zur Not auch auf dem Arm von Forrest Gump), die Blitzfeuer, die sumpfigen Flüsse, die Fahrten auf dem Weg in die Finsternis, die Rockmusik, die Joints, die soldatischen Käsemauken. Corporal Niroumand: abtreten!
Ausnahmsweise sollen hier 2 (in Worten zwei) Lanzen für Filme gebrochen werden, die von den Kollegen auf den überregionalen Seiten verrissen oder doch zumindest angemüffelt werden. Es handelt sich dabei zunächst um Muriel's Wedding und Freddy's New Nightmare. Die Gründe sind natürlich, wie Sie sich denken können, denkbar unterschiedlich, zumal es sich ja auch um denkbar unterschiedliche Filme handelt, nicht wahr.
Muriel's Wedding hat diesen australischen Jungmädchentouch, also stellt eine von diesen Mädchen vor, die so verwirrt sind wie Jane Campions Sweetie. Bei der Hochzeit einer Nachbarin fängt ausgerechnet sie den Brautkranz, obwohl sie nach einer geheimen Verabredung der herumstehenden Zicken die allerallerletzte wäre, die ihn sich verdient hat. Das ist unter anderem so, weil ihre Familie so dysfunktional ist, wie sich das für einen australischen Film gehört. Aber nach dem Motto „up from down under“ reist sie mit mehr oder weniger erstohlenem Geld nach Hawaii oder so, eine Insel. Dort trifft sie nicht nur auf sämtliche Schnepfen von zu Hause, sondern auch auf eine ziemlich nette, ebenfalls ausgemusterte junge Dame, die den Schnepfen ein paar Momente des bösen Erwachens verschafft.
Vor allem aber wird der Film rhythmisiert von allem, was Abba jemals groß und gut und mächtig gemacht hat, also „Fernando“, „Dancing Queen“ und so weiter. Plötzlich wirkt diese Musik so seltsam frisch und tröstlich. Das in Kombination mit dem blauen Himmel haut den Menschen um. Der Film nimmt dann noch eine seltsame Windung in Richtung „Passion Fish“, den gewisse Leute ja immer noch nicht gesehen haben.
Zu Gast im Arsenal ist für ein paar Tage auch der georgische Schriftsteller Otar Iosselani, der hier sein neuestes Videowerk Seule, Georgie vorstellt, in dem er nichts Geringeres als die Geschichte Georgiens behandelt. Er besteht aus drei Teilen und beginnt im 18. Jahrhundert, als Georgien von Rußland annektiert wird. Mariam Niroumand
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