: Bitch-et auf Wohnungssuche
■ Femme fatale: Linda Fiorentino in „Die letzte Verführung“
Der Titel lügt. Das kann unmöglich Bridget Gregorys „Letzte Verführung“ sein. Bridget (Linda Fiorentino), von Ehemann Clay Bitch-et gescholten, hat diesem eine erfreuliche Summe Drogengelder abgenommen und sich in einem Provinznest versteckt. Aus dem männlichen Bevölkerungsanteil rekrutiert sie Liebhaber Mike. Als Clay (Bill Pullmann aus „Singles“, „Schlaflos in Seattle“) Bridget aufspürt, hetzt sie die beiden aufeinander. Finale in Big Apple.
Warum teilen, wenn Frau die Scheinchen auch gut allein verwenden kann? Bridget will eine bessere Wohnung im geliebten New York, wer könnte das nicht verstehen? Sie liebt den Geruch des Geldes und wird von keinem Gefühl behindert. Sie ist ein Superhirn, megasexy auf die magere Tour. Was sie hat, setzt sie ein: Game, set, match. Die Frau wäre schön blöd, wenn sie von ihren Gaben nur einmaligen Gebrauch machen würde. Aber Bridget Gregory ist nicht blöd. Wenn sie am Schluß von John Dahls drittem Film in eine Limousine steigt, weiß man, daß Bridget jetzt nicht nur eine Traum-Wohnung bezahlen kann, sondern immer bekommen wird, was sie will. Ohne sich die Finger schmutzig zu machen.
Linda Fiorentino gibt die neueste Ausgabe der femme fatale als Frau ohne Gefühl. Nichts Neues in der Kinogeschichte, aber Fiorentino steht der alte Hut sehr gut. Bye, bye Sharon Stone und Kathleen Turner; plötzlich erinnert man sich, daß es ja mal Barbara Stanwyck und (sie war Gott!) Bette Davis gab. Fiorentinos „monstress“ ist ein ratio-maschinisiertes Wesen. Wenn in ihrem Masterplan etwas schiefläuft, setzt sie sich hin, raucht eine und überlegt sich den nächsten, noch fieseren Schachzug. Sie tobt nie, sie heult nie, sie braucht eigentlich niemanden. Dennoch hat Linda Fiorentino es nicht leicht mit dieser Bridget- Rolle. Schwarzer Minirock, hochgeschlossene weiße Bluse, langer schwarzer Mantel, alles teuer, machen auf coole, karriereversessene, sexgierige business lady – das Bild der moderaten Widerspenstigen. Bridget treibt Mitarbeiter an, sagt „Scheiße“, pullert vor dem Liebhaber und vögelt dort, wo Leute vorbeiflanieren. Sie sagt weder „bitte“ noch „danke“. So was Ungezogenes! Dann plötzlich ein verächtliches Zucken um Fiorentinos Mundwinkel, und man ist ihr verfallen.
Der Paradigmenwechsel von „Die letzte Verführung“ ist allerdings ausgesprochen simpel. In den Pretiosen der Schwarzen Serie und des film noir sind „böse“ Frauen gemein zu harten, aber herzlichen oder wirklich bösen Männern. „Die letzte Verführung“ läßt den männlichen Mitmenschen nach Nähe, Liebesschwüren und gemalten Herzchen greinen. „Du bist nur mein Stecher“, sagt Bridget zu Mike. Bridget bevorzugt Qualität, und deshalb guckt sie sich immer erst den Schwanz an. Und lacht, als Mike sie „verdammtes Miststück“ nennt. Die Frau – das kalte, „kranke“, sprich psychopathische Wesen, das die Männer wegen der vielen praktischen Dollars benutzt. Männer sind – wie Clay – die ethisch besseren Bösen, manchmal gar – wie Mike – die richtig Guten. Die ganz Korrekten werden sich über diese Konstruktion vermutlich ärgern. Das ist nicht nötig. Bridget operiert an der Basis aller männlichen Eitelkeit: der Potenz, weil sie einfach gewohnt ist, effektiv zu arbeiten. Ärgern sollte man sich auch nicht über die galoppierende Werbeästhetik von Regisseur John Dahl („Kill Me Again“, „Red Rock West“): Graugelb, blaugrau, braungrau die Bars, klammblau die Büros, schmutziggelb das New Yorker Appartement von Clay und Bridget. Freundlicher Jazz zu unfreundlichen Intrigen, im Glas Manhattan. Man nennt das Ganze „neonoir“.
Was soll's. „Die letzte Verführung“ kann unbedenklich als erstklassiger Thriller durchgehen. Marke: Wer ist letztendlich cleverer. Jede Menge hübscher schwarzer Scherze. Und sollte man nicht schon dankbar sein, wenn man sich einfach gut unterhalten fühlt? Anke Westphal
„Die letzte Verführung“. R: John Dahl, mit Linda Fiorentino, Peter Berg, Bill Pullmann. USA 1993
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen