■ Italiens Rechte hält, was man von ihr befürchtet: Schöne Demaskierung
Bei all der Wirrnis, mit der Italiens Volksvertreter derzeit die große Krise handhaben, eines haben die Vorgänge der letzten Tage jedenfalls an Positivem erbracht: Die Rechte, und nicht nur die faschistische, demaskiert sich in geradezu frappierender Weise. Was sie von Demokratie, von Transparenz, von Aufrichtigkeit hält, belegt sie nahezu stündlich und in tausenderlei Versionen neu. Da werden Falschmeldungen in die Welt gesetzt, daß sich die Balken biegen. Da wird die Opposition, die mit ihrem Mißtrauensvotum doch nur versuchte, was auch alle anderen Oppositionen dieser Welt tun, zum „Verräter am Volk“, da wird dem Staatspräsidenten verfassungswidrige Einmischung in die Kabinettsbildung unterstellt.
Schon einmalig, daß die Staatsanwaltschaft in Rom gegen nicht weniger als drei Mitglieder der bisherigen Regierung (einschließlich Berlusconi) und den Chef der Neofaschisten, Fini, wegen Verleumdung des Staatspräsidenten ermitteln muß.
Mit unglaublicher Dreistigkeit behaupten Berlusconi und Fini immer aufs neue, die Italiener hätten ihnen ein Direktmandat zum Regieren gegeben und Berlusconi unmittelbar zum Ministerpräsidenten eingesetzt – als ob nicht die Opposition in absoluten Zahlen wesentlich mehr als die Regierungskoalition an Stimmen bekommen hätte (52 gegen 48 Prozent) und nur das konfuse Wahlrecht zur Parlamentsmehrheit im Abgeordnetenhaus verholfen hätte (im Senat besaß Berlusconi sowieso nie die Mehrheit). Mit ebensolcher Impertinenz fordern sie vom Staatspräsidenten einen glatten Verfassungsbruch – er solle schon heute einen Termin zu vorgezogenen Neuwahlen nennen, obwohl die Verfassung eine Regierung auf Zeit ausdrücklich ausschließt. Der designierte Ministerpräsident Dini, der dies zu bemerken wagte, ist seitdem Persona non grata, die Rechte will gegen ihn stimmen.
Natürlich kann man Zweifel haben, ob in einer parlamentarischen Demokratie das nun eingesetzte Kabinett aus parteifernen Fachleuten das Gelbe vom Ei ist: Schließlich wählen die Bürger ihre Abgeordneten, damit diese eine Regierung aus ihren Reihen wählen und nicht Leute, die durch keinerlei Mandat legitimiert sind. Doch in einer Lage, wo die politische Atmosphäre so vergiftet ist wie derzeit in Italien, war das wohl das kleinste aller denkbaren Übel. Und, wie gesagt, wenn es am Ende auch zu nichts anderem gut war als zur Demaskierung der weiterhin undemokratischen, präpotenten Rechten. Vielleicht ist es Scalfaro mit dem Auftrag an den bisherigen Berlusconi-Vasallen Dini am Ende auch nur darum gegangen. Zuzutrauen wär's ihm. Und danke schön sagen müßte man ihm dafür sicher auch. Werner Raith, Rom
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen