: Trotz teilweise widriger Umstände
■ Zahlen und Fakten aus Barbara Johns Bericht: Ihre Zukunftsaussichten schätzen die Berliner Polen gut ein.
„Wir stellen hier Tatsachen an die Stelle von Ängsten und Feindbildern. Die Zuwanderung von Polen in den Achtziger Jahren ist Berlin offensichtlich sehr gut bekommen.“ Barbara John, Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, faßt die Ergebnisse einer Repräsentativumfrage unter 1.203 polnischen Einwohnern Berlins zusammen. „Mehr als jede andere Einwanderergruppe haben sie es geschafft, sich trotz teilweise sehr widriger Umstände in die deutsche Gesellschaft zu integrieren.“
Die Polen stellen mit 27.500 Einwohnern nach den Türken die zweitgrößte Minderheit in Berlin. Zehn Prozent aller in Deutschland lebenden Polen wohnen in der Hauptstadt. Die meisten von ihnen sind laut der jetzt vorgelegten Studie Anfang der Achtziger Jahre gekommen, als in Polen das Kriegsrecht herrschte und viele Anhänger der Solidarność-Bewegung das Land verließen. Mittlerweile habe sich die Mehrheit von ihnen – trotz anfangs unsicherem Aufenthaltsstatus und der Verweigerung von Arbeitserlaubnis und Sozialhilfe – in Berlin fest etabliert, erklärt Barbara John.
„Mit dieser Studie wollten wir die Vorurteile aus dem Weg räumen, die viele gegen Polen haben. Es wird in den Medien ja viel über die polnische Mafia und ähnliches berichtet. Die Zahlen belegen, daß die meisten von ihnen jetzt einen Arbeitsplatz haben, und sich hier zuhause fühlen.“ Dies sei auch auf die überdurchschnittlich gute Qualifikation der zugewanderten Polen zurückzuführen.
Tatsächlich fühlen sich 88 Prozent der Befragten in Berlin wohl, und 57 Prozent beurteilen ihre Zukunftsaussichten als gut oder sehr gut. Rund ein Zehntel von ihnen, die bei den Behörden noch als Ausländer geführt werden, haben inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft. Gut ein weiteres Drittel hat sie beantragt. Die Zahlen deuten auch an, was Berlin tun könnte, wenn es eine Verbesserung des deutsch-polnischen Verhältnisses will. Viele Berliner Polen würden es begrüßen, wenn eine zweisprachige Schule gegründet würde. Die Kontakte der Berliner Polen zum Heimatland, dessen Grenze nur eine gute Autostunde entfernt ist, sind nach wie vor sehr eng. 60 Prozent fahren mindestens alle drei Monate nach Polen.
Ob Johns Zahlen tatsächlich repräsentativ für die Situation der meisten Polen in Berlin sind, ist fraglich. „Polen, die hier im sogenannten ,halblegalen' Status, das heißt ohne langfristige Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis leben, konnten wir nicht erfassen“, räumt John ein. Dies sei ein heikles Thema, aber man bemühe sich, auch für diese Leute bessere Voraussetzungen zu schaffen. „Wir verhandeln mit der Ärztekammer über die Einrichtung einer Notversorgung bei Arbeitsunfällen.“
Immerhin jeder zweite der Befragten beklagte Diskriminierungen, vor allem von seiten der Behörden, und 40 Prozent gaben an, schon einmal Äußerungen oder Angriffe erlebt zu haben, die sich gegen Polen richteten. Als häufigste negative Eigenschaften von Deutschen wurde Arroganz, Ausländerfeindlichkeit und Verschlossenheit genannt. „Hier finden sich natürlich viele Klischees wieder“, wiegelt John ab. „Als positive Eigenschaften wurden typische Sekundärtugenden wie Pünktlichkeit und Ordentlichkeit angeführt.“ Tanja Hamilton
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