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Pfusch für slowakisches AKW

■ Öffentliche Anhörung über den Weiterbau des Atomkraftwerks von Mochovce ist geplatzt / Ein bisher geheimer Bericht dokumentiert schwere Sicherheitsmängel

Berlin (taz/AP) – Für die westlichen Geldgeber war die Sache klar. Schon 1997 sollte das Atomkraftwerk von Mochovce seinen Betrieb aufnehmen – heute ist die Anlage noch eine Investitionsruine der ehemaligen sozialistischen Tschechoslowakei. Doch auf Antrag des französischen Energieversorgers Electricité de France (EdF) war die Europäische Entwicklungsbank (EBRD) bereit, das Projekt mit Krediten zu Ende zu führen, die sich die Hauptgeberländer Frankreich und Deutschland mit Stromlieferungen aus der Slowakei zurückbezahlen lassen wollten.

Jetzt droht das Atomgeschäft an einem ziemlich undiplomatischen Streit der österreichischen und slowakischen Regierungen zu scheitern. Gestern abend kam es zum öffentlichen Eklat. Die Bundesregierung in Wien sagte eine für kommende Woche geplante Anhörung über den Weiterbau des Atomkraftwerkes ab.

Öffentliche Erörterungen sind im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend vorgeschrieben, der die slowakische Regierung prinzipiell zugestimmt hat. Auch die Entwicklungsbank hält ein solches Verfahren für unerläßlich und ließ dafür eigens eine Wirtschaftlichkeitstudie anfertigen. Sache der slowakischen Seite wäre es nun gewesen, Auskunft über die technischen Daten der Anlage des sowjetischen Bautyps zu geben. Intere Sicherheitsanalysen liegen durchaus vor. Der deutsche Siemens-Konzern, der sich zusammen mit der französischen Framatome an dem Projekt beteiligt, vertritt öffentlich die Meinung, sowjetische Reaktoren dieses Typs ließen sich auf westliches Sicherheitsniveau umrüsten. Zum Beispiel sei das in Finnland geschehen, wo der Reaktorkern allerdings von vorneherein mit einer Sicherheitshülle umgeben wurde, die in Mochovce weder vorgesehen war noch nachträglich eingebaut werden kann.

Die EdF zieht seit Wochen mit einer PR-Truppe durch die Slowakei, um für die Sicherheit der russischen Reaktoren zu werben. Zu Hause mußte der Entwicklungsbank-Vizepräsident Thierry Baudon allerdings eingestehen, daß „Ergebnisse der Sicherheitstests nicht vor 1996 zu erwarten“ sind. Diese Tests sollen bestätigen, daß die Anlage auch ohne Schutzhülle betriebssicher ist und die geplante Mixtur aus Ost- und Westtechnologie funktioniert. Für das Umweltverträglichkeitsverfahren haben die EdF und ihr Partner, die slowakische Elektrizitätsgesellschaft Slovensky Energeticky Podnik, lediglich ein kurzes Papier veröffentlicht, in dem schwere Störfälle gar nicht erst eingeplant sind.

Die aber dürften beim späteren Betrieb so gut wie sicher sein: Den österreichischen Grünen sind nun Akten aus der slowakischen Atombehörde in Bratislava zugespielt worden. Aus den Papieren geht hervor, daß es in beiden bisher fertiggestellten Kraftwerksblöcken inzwischen zu „großflächigen Verrostungen“ und „Zerfallserscheinungen“ gekommen ist. Zahlreiche Schweißnähte im Kühlsystem widersprechen den Berstschutzbestimmungen, den Kabeln fehlt der Brandschutz.

Der Pfusch war eingeplant. Auch die Ausbildung der Bauarbeiter wird bemängelt. Ob bereits früher von den slowakischen Behörden festgestellte Bausünden jemals beseitigt wurden, läßt sich wegen unterlassener Dokumentation des Baufortschritts nicht mehr feststellen.

Damit dürften auch die Kostenberechnungen der Entwicklungsbank gegenstandslos werden. Um die Wirtschaftlichkeit des slowakischen Atomstroms nachzuweisen, hatte der Bankbericht unter anderem Kosten für die Lagerung der abgebrannten Brennstäbe schlicht außer acht gelassen. Darüber lägen noch keine Untersuchungen vor, heißt es lapidar zu diesem Punkt.

Marktwidrig hohe Gaspreise, die in der Bankstudie unterstellt werden, lassen die Fertigstelllung der Reaktoren günstiger erscheinen als den Neubau von modernen Gaskraftwerken. So genau wollen sich die Electricité de France und ihr slowakischer Staatspartner aber nicht in die Bücher schauen lassen. Schon der österreichische Vertreter in der Entwicklungsbank hatte sich bisher vergebens gegen die Finanzhilfe für das Atomkraftwerk gewandt, das nur 180 Kilometer vor den Toren Wiens liegt. Inzwischen liegen über 320.000 Unterschriften gegen das Projekt vor, und die österreichische Regierung schlug vor, in über 1.000 Einzelveranstaltungen jeweils 200 Personen mit ihren Einwänden anzuhören. Das waren nun den Franzosen deutlich zu viele runde Tische. Eine Sprecherin der Elekrizitätsgesellschaft meint, schon zur Beantwortung von dreißig Fragen seien etwa fünf Stunden Zeit erforderlich. Die Gesellschaft wollte deshalb nur einer einzigen Anhörung zustimmen, zu der höchstens 200 ausgesuchte Delegierte und einige Experten zugelassen sein sollten. Niklaus Hablützel

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