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„Vegetarier sind Heuchler“

■ Zwei Veganer über tierfreie Pfannkuchen, Ausbeutung des Trikont, Scheibeneinschmeißen und „Öko-Faschismus“

An Sylvester wurden dem Öko-Schlachter Groth die Scheiben eingeschlagen. In einem anonymen Leserbrief an die taz bekannten sich dazu „Veganer“. Wir fragten die Studenten Hanno (23) und Holger (22) nach dem Leben und der Überzeugung von VeganerInnen.

Ihr verzichtet nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Lederschuhe und Wollpullis...

Hanno: Generell auf Tierprodukte. Das heißt: keine Milch, keine Eier...

Holger: ... aber auch kein Honig, keine Schokolade, kein Shampoo, das an Tieren getestet worden ist.

Wo fiel Euch der Verzicht am schwersten?

Holger: Weiße Schokolade! Und Pfannkuchen krieg' ich nicht so hin wie meine Mutter früher.

Wie macht man die auf vegan?

Hanno: Mit Buchweizenmehl, weil das einen guten Klebefaktor hat, mit Sojamilch, und als Ei-Ersatz nimmst Du Sojamehl mit Wasser verrührt, und dann eben was zum Treiben.

Was tragt Ihr im Winter an den Füßen?

Hanno: Baumwoll-Turnschuhe für 20 Mark.

Holger: Manchmal hat man halt nasse Füße, aber wenn man zwei Paar Socken anzieht, dann geht das schon. In England gibt es DocMartens, die nicht aus Leder sind. Die haben dort überhaupt viel mehr Alternativ-Produkte, weil da Veganismus und Vegetarismus viel mehr verbreitet ist als in Deutschland: fünf Millionen VegetarierInnen und 1,5 bis 2 Millionen Vegans.

Muß man nicht total aufpassen, daß man keine Mangelerscheinungen kriegt?

Holger: Nein. Nur Vitamin B 12 ist ein Problem, das ist aber zum Beispiel in fermentiertem Getreide drin oder in Sauerkraut, wenn das fermentiert ist...

Also mit Gärbakterien versetzt?

Hanno: Ja genau. Und um auf das Eiweiß zu kommen, mußt Du Hülsenfrüchte und Getreide essen. Mit Tofu hast Du auch sehr vollwertiges Eiweiß.

Den Schritt zum Vegetarier schaffen ja viele, aber wieso muß man auch noch Veganer werden?

Holger: Es ist heuchlerisch, wenn man nur Vegetarier ist: Wenn ich Milch trinke, sterben trotzdem noch Kühe für mich.

Wieso das denn?

Hanno: Es werden Kälbchen produziert, damit die Milch da ist. Und die männlichen Kälbchen werden geschlachtet, da man ja nur weibliche Kühe braucht. Bei den Hühnern ist das genauso: Die männlichen Küken kommen gleich in den Fleischwolf und werden zum Teil an Hühner weiterverfüttert.

Tiere fressen doch auch Tiere. Habt Ihr Hunde?

Hanno: Nö, ich find's blöd, Haustiere zu halten, weil man sich da zum Herrscher macht.

Ihr betont, daß es nicht nur eine emotionale, sondern vor allem eine politische Entscheidung ist, Veganer zu werden. Kann man das Politische daran in zwei Sätzen zusammenfassen?

Hanno: Auf dem Land, das man für Futter für die Rinder braucht, könnte man die siebenfache Menge an Getreide anbauen, das die Menschen dann direkt essen könnten. Durch die Rinderzucht, zu der Länder der Dritten Welt durch die Weltmarktpolitik gezwungen werden, verhungern Menschen, weil sie nicht das Land haben, um Lebensmittel anzubauen. Außerdem zerstören multinationale Konzerne durch Brandrodung für ihre Rinderfarmen die Regenwälder.

Aber wenn Ihr importiertes Soja eßt, ist das auch nicht gerade ökologisch!

Holger: Ich versuche schon, keine Südfrüchte zu essen, sondern Äpfel aus Deutschland. In England gibt es eine Bewegung, die heißt Euro-Vegans, die essen nur, was aus der Region kommt.

Gibt's in Bremen auch eine richtige Veganer-Szene?

Holger: Ein bißchen, das sind vielleicht 35 Leute aus der linken Szene. Aber die identifizieren sich nicht über das Vegan-Sein, das ist ja nicht der Hauptwiderspruch, sondern die sind zum Beispiel auch antifa-mäßig aktiv.

Hanno: Aber Bremen ist schon zu einem kleinen Zentrum geworden. Auch am Weidedamm haben Leute versucht, so zu leben und Gemüse anzubauen.

Wenn Ihr nicht organisiert seid, wie wollt Ihr dann was auf die Beine stellen – außer Scheiben einzuschmeißen?

Holger: Es gibt in der Tierrechtsbewegung schon überregionale Gruppen, die organisiert sind, zum Beispiel die VOR, Veganer-Offensive Ruhrgebiet, und TAN aus Hamburg, Tierschutz aktiv Nord, dann noch den Bundesverband der TierbefreierInnen und Animal Peace, das sind die vier Großen in Deutschland, die auch nicht bürgerlich durchlöchert sind.

Mit dem klassischen Vegetarierbund habt Ihr nichts zu tun?

Holger: Doch, wir arbeiten durchaus vernetzt.

Hanno: Das werfe ich der taz-Berichterstattung ja auch vor, daß die uns darstellt als Sekte, völlig losgelöst. Wenn es eine neue Form von Radikalität gibt, kommen die Leute immer sofort mit dem Stalinismus- oder Faschismus-Vorwurf.

Aber das kam durch die Aktionen gegen den Öko-Schlachter Groth. Aktionen vor Zirkussen oder Tierbefreiungen oder auch Aktionen gegen Hühner-Pohlmann – da würden Euch sicher mehr Leute verstehen...

Holger: Gegen Pohlmann haben wir doch 'ne Demo gemacht!

Aber warum greifen VeganerInnen den kleinen Öko-Metzger an?

Hanno: Also: Ich kann das nicht gutheißen, daß dieser Mensch persönlich bedroht wird ..

Scheiben einzuschmeißen heißt Du gut? Da wird auch eine Existenz gefährdet.

Hanno: Aber es ist doch gar nicht so, daß sich Veganer gegen den Groth eingeschossen hätten, der ist doch das kleinste Übel – wenn Du so willst. Allerdings: Dadurch, daß Groth einen reformierten Schlachterbetrieb hat, bringt er Leute, die vielleicht Vegetarier werden würden, weil sie die Mißstände anprangern, dazu zu sagen: Naja, es gibt ja noch die Möglichkeit, das korrekte Fleisch zu essen.

Immerhin haben die Tiere, deren Fleisch er verkauft, vorher artgerecht gelebt, wurden ohne Streß geschlachtet...

Holger: Das ist so, wie wenn man sagen würde: Es gibt jetzt auch Bio-Abschiebeknäste, da werden die Leute ohne Streß abgeschoben. Es geht ja nicht nur darum, daß die Tiere ohne Streß geschlachtet werden, sondern daß sie überhaupt nicht ermordet werden.

Hanno: Ich rechne es dem Groth hoch an, daß er versucht, sich ökologisch zu engagieren. Aber letztlich muß ich ihm sagen: Dann mach' doch lieber einen Bioladen auf!

Seit der taz-Diskussion im Bürgerhaus wird er jetzt auch zuhause angerufen und bedroht...

Hanno: Davon distanziere ich mich. Das können nur einzelne Leute sein, die den Lauten machen, aber da steckt, denke ich, nichts hinter an Bedrohung. Das sind eher junge Leute. Junge Leute schreiben sich ja auch auf die Lederjacke „Nur ein toter Bulle ist ein guter Bulle“.

Ich will es aber nicht zu sehr verharmlosen. Ich find's scheiße, was da läuft. Und wir selber haben darunter tierisch zu leiden, weil jetzt Vegan-Sein mit Stalinismus und Terror gleichgesetzt wird.

Aber Ihr könntet dem doch jetzt entgegenwirken. Ihr könntet zu dem Groth gehen, der nun wirklich Angst um sein Leben hat, schießlich weiß er nicht, ob das nur Verbalradikalismus ist, und euch entschuldigen.

Hanno: Ich würde mich auch bei ihm entschuldigen, das kann ich ja jetzt hier im Interview machen – obwohl ich mich natürlich nur für Sachen entschuldigen kann, für die ich mich auch verantwortlich fühle.

Holger: Ich werd' nicht zu ihm hingehen, aber ich kann ihm hiermit sagen, daß ich persönlich niemand kenne, der ihm auch nur ein Härchen krümmen würde.

Ihr wollt doch Leute überzeugen. Wieso macht Ihr keine Vegan-Küche in der Fußgängerzone?

Holger: Sowas machen wir ja auch, ab jetzt gibt es jeden zweiten Donnerstag Vegan-Küche beim BDP. Und im Sielwallhaus gibt's dienstags und freitags vegetarisch. Aber sowas ist eben immer sehr viel Aufwand. Wir müssen ja auch noch arbeiten und studieren.

Aber ins Sielwallhaus oder zum BDP trauen sich nur wenige. Wieso macht Ihr nicht Aktionen in den Fußgängerzonen oder auf dem O-Weg?

Hanno: Wir haben vor einem Jahr in der Sögestraße eine Aktion gemacht: Einer war als Schlachter verkleidet, einer als Jäger, beide blutbespritzt, und dann lagen da so kleine Stofftiere in Blutlachen. Dazu haben wir Flugis verteilt. Auf Vegetarismus kannst Du Leute gut ansprechen. Es ist 'ne andere Erfahrung, als wie wenn du versuchst, den Leuten Klassenkampf oder sowas beizubringen, da Vegetarismus für die meisten doch was Harmloses, Peaciges, Nettes hat.Aber es sind eher die Frauen zugänglich, weil das auch ein emotionales Ding ist. So einer Hausfrau kannst du natürlich nicht gleich mit dem Trikont kommen.

Wenn es auf der einen Seite die eher unpolitischen Vegans gibt, so wie in den USA, die aus Gesundheitsgründen so leben, gibt es denn auf der anderen Seite ganz fundamentalistische?

Hanno: Es gibt einzelne Leute, bei denen geht das schon fast in Richtung Öko-Faschismus. Wenn's ganz finster wird, kommen die zu einem bedenklichen Biologismus und lehnen Homosexualität ab oder sagen, Abtreibung ist Mord. Da hab' ich keinen Bock zu, mit solchen Leuten auf einen Nenner gebracht zu werden. Deshalb grenzen wir uns da ganz klar ab. Aber das sind nur ein paar schwarze Schafe. So wie es auch bei den Antifaschisten Mackertum gibt.

Am Donnerstag, 2. Februar, und ab dann jeden zweiten Donnerstag, kocht die Gruppe „Fauna“ ein veganes Abendessen beim Bund Deutscher PfadfinderInnen am Hulsberg, ab 18 Uhr. (Mit Film und Büchertisch)

Fragen: Christine Holch

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