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Nachschlag

■ Schweizer sprechen schriftdeutsch: Ursus & Nadeschkin – Clownerie im Hackeschen Hof Theater

Als „highly entertaining and outrageously funny“ kündigt die Stimme aus dem Off das Kommende an, und man ahnt: Es wird erbärmlich. Es folgen sechs Minuten lang läppische Zirkusnummern, deren Dürftigkeit wirksam zur Geltung gebracht wird durch die musikalische Übermalung von Madness. Dann nehmen die Schweizer Clowns Ursus und Nadeschkin sitzende Ovationen entgegen. Das „schnellste Programm der Welt“ war versprochen. Und wurde auch geliefert. Durchaus nachvollziehbar also, daß Ursus leicht ungehalten reagiert, als das Publikum nach geleistetem Beifall nicht verschwindet, sondern erwartungsfroh sitzen bleibt. „Es gibt keine Zugaben. Guten Abend!“ Und: „Ein zeitgenössisches Publikum würde jetzt gehen.“ Nadeschkin hingegen signalisiert Verständnis: „Sechs Minuten, das geht mir auch zu schnell.“ Der Partner geht ab, sie blättert in der zitty und kommt allmählich ins Plaudern. Schließlich taucht der beleidigte Ursus wieder auf, um die Zuschauer mit debilem Humor in die Flucht zu schlagen. Schon die Ouvertüre allerdings mißlingt: Er stellt einen Blumenstrauß als chinesischen Außenminister vor, das Publikum bleibt. 90 Minuten lang. Noch eine Kostprobe: Ein Uhu fliegt übers Meer. „Huhu“, sagt der Hai. Entgegnet der Uhu: „Hi!“

Der Versuch, die Untiefen des Unterhaltungsbegriffs auszuloten, mißlingt. Natürlich weiß das Publikum, daß es heute abend auch über den dümmsten Witz lachen darf, schließlich verbürgt die Programmzeitschrift, daß hier „auf satirische Weise das Konsumverhalten thematisiert wird“. So gelingt es dem Duo, die Zuschauer zu Komplizen zu machen, sich für die Peinlichkeiten auf der Bühne mitverantwortlich zu fühlen. Und immer seltener fragt man sich: Warum seh' ich mir das eigentlich an? Andere im Scheinwerferlicht zappeln zu sehen hatte schon immer einen hohen Unterhaltungswert, und Hilflosigkeit zu suggerieren gelingt Ursus und Nadeschkin sehr gut. Stets wirken sie überfordert.

Zuweilen allerdings bedienen sie sich doch konventioneller Unterhaltungselemente und unterlaufen so ihre Absicht, konsumistisches Abschlaffen auf den Zuschauerrängen zu verhindern. Zum Beispiel durch die hierzulande beliebte Lachnummer „Schweizer sprechen schriftdeutsch“, welches dümmlich elaboriert wird, bis hin zu elliptischen Sätzen wie: „Ich muß nicht Sauna“ für „Ich muß nicht in die Sauna gehen“. Der Beweis, zu dem das Duo angetreten ist, gelingt insgesamt dennoch: Die schlechte wird zur guten Unterhaltung, weil sie Erwartungsmuster durchbricht und uns dadurch ein bißchen kitzelt. Ein bißchen. Weit weniger, als das Programm, unbeleckt von Selbstironie, verspricht: „Ein Stück, das unsere Vorstellungen von Theater über den Haufen wirft.“ Das zu erreichen ist heutzutage etwas schwierig, da wir uns unsere Vorstellungen seit längerem nicht mehr so genau vorstellen können. Simon Heusser

Bis 11.2., jeweils Mi.–Sa., 21 Uhr, Hackesches Hof Theater, Rosenthaler Straße 40/41, Mitte.

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