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Der "Zweidrittel-Typ"

■ Bündnisgrüne halten an der bisherigen Rotationsregelung fest / Ausnahmeregelung als nahezu unerfüllbare Hürde

Bündnis 90/Die Grünen halten an der Rotation fest. Ein Antrag, die Rotation abzuschaffen und statt dessen ein Drittel der aussichtsreichen Listenplätze für neue Parlamentarier vorzusehen, wurde von einer Landesdelegiertenversammlung am Samstag abgelehnt. Von der Rotation sind sieben jetzige Abgeordnete betroffen. Sie können nur dann erneut kandidieren, wenn auf dem Nominierungsparteitag im Mai eine Zweidrittelmehrheit auf Antrag einer Ausnahme zustimmt.

Die Debatte um die Rotation wurde am Samstag im Schöneberger Rathaus auffällig zurückhaltend geführt. Der Europaabgeordnete Frieder-Otto Wolf sprach sich für die Beibehaltung der jetzigen Regel aus: „Politik zum Beruf zu machen ist richtig“, sagte er, „aber in der Partei gibt es auch andere wichtige Funktionen außerhalb des Abgeordnetenhauses.“ Andere Redner hatten Angst vor dem „Berufspolitikertum“, mit dem sich die Bündnisgrünen an etablierte Parteien anglichen. Landesgeschäftsführer Norbert Schellberg stellte dagegen die nötige Zweidrittelmehrheit für Ausnahmen von der Rotation in Frage: „Wer ab und zu mal ein vernünftiges Wort sagt, ist nicht Zweidrittel- fähig.“ Die Hürde für Ausnahmen sei zu hoch, und deshalb schaffe sich die Partei den „Zweidrittel- Typ“, der sich nirgends unbeliebt machen dürfe.

Ein Antrag des Landesvorstandes, der den mißverständlichen Rotations-Paragraphen klarer auslegt, wurde mit einer Änderung angenommen. Die sieben Monate dauernde Stadtverordnetenversammlung und die anderthalb Jahre Rot-Grün gelten als ganze Legislaturperiode. Wer aber vor Rot-Grün nur einer halben Legislaturperiode – zwei Jahre – angehörte und satzungsgemäß herausrotierte, dem soll diese Zeit nicht angerechnet werden. Fraktionschef Wolfgang Wieland, der faktisch als einziger unter diese Regelung fällt, darf im Mai ohne Ausnahme und damit ohne die Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit erneut für einen Listenplatz kandidieren. Fraktionäre und andere Funktionäre sprachen deshalb von einer „Lex Wieland“.

Auf der Tagesordnung standen auch die Parteifinanzen. Doch die Frage, wie die halbe Million Mark für den Wahlkampf zwischen Bezirken und Landesverband aufgeteilt wird, wurde verschoben. Erst soll ein Konzept für den Wahlkampf erarbeitet werden.

Ein Antrag gegen einen Gesetzentwurf zum Paragraphen 218, den die Bundestagsfraktion im Bundestag einbringen will, wurde ohne kontroverse Debatte angenommen. Die 15 Antragstellerinnen kritisierten, daß in dem grünen Zwangsberatungsgesetz die Abschaffung des Paragraphen 218 nicht mehr gefordert werde und daß dieser Entwurf ohne Absprache mit den Landesverbänden der Presse vorgestellt worden sei. Statt einen eigenen Entwurf einzubringen, soll die Bundestagsfraktion einen SPD-Entwurf zum Zwangsberatungsgesetz mit Änderungsanträgen verbessern. Dirk Wildt

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