: Versteckter Landtag
■ Die geplante Energiezentrale am Abgeordnetenhaus trumpft zur Straßenseite mit einer langen geschlossenen Mauer auf
Fünf Jahre nach dem Fall der Mauer droht nach Ansicht von Berliner Parlamentariern aller Couleur dem Gebäude des Preußischen Landtags erneut die Einmauerung. Sie fürchten, daß das heutige Abgeordnetenhaus wie in den Jahren 1961 bis 1989 entlang der Stresemannstraße hinter einer dicken Steinwand verschwindet. Anstelle der vorgesehenen Randbebauung mit Geschäften und Büros, so Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin der Berliner Bündnisgrünen, sei auf dem freien Areal westlich des Landtags in einer Länge von 44 Meter und in einer Höhe von 26 bis 29 Meter die neue Bewag-Energiezentrale mit Umspannwerk für die Investoren am Potsdamer/Leipziger Platz geplant. Der Bauausschuß will sich heute in einer Sondersitzung mit diesem „dicken Hammer“ (Ziemer) befassen.
Besonders ärgerlich, sagte Ziemer zur taz, „sei nicht nur, daß die Bewag-Architekten an der Stresemannstraße eine total geschlossene Fassade in Terrakotta vorsehen, an der es außer einem einzigen Fenster und Lüftungsschlitzen keine Öffnungen gibt“. Der „klotzige Industriebau“ in unmittelbarer Nachbarschaft denkmalgeschützter Bauwerke wie den Martin-Gropius-Bau, den Preußischen Landtag und das Gebäude Stresemannstraße 128 verstoße auch gegen den vom Abgeordnetenhaus 1994 verabschiedeten sogenannten „Koordinierungsbebauungsplan“ für das Gelände. Dieser sah vor, urbane Nutzungen in den Erdgeschoßzonen der Häuser an der Stresemannstraße einzurichten.
Die Energiezentrale war durch eine gewerbliche „Mantelbebauung“ abgeschirmt und in den Hof verbannt worden. Außerdem war sie nicht so kompakt angelegt. Ziemer forderte, die Planung, die von der Bewag und dem Bezirk Mitte letzte Woche überraschend „aus dem Hut gezaubert wurden“, abzulehnen und die Energiezentrale auf die Investorenflächen zu verlegen.
Die Bewag und besonders der Bezirk Mitte wollen die Einwände nicht gelten lassen. Es sei aus technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht möglich, die Energiezentrale für die Wärme- und Kälteerzeugung hinter einer Mantelbebauung verschwinden zu lassen, sagte Reinhard Heizmann, Sprecher der Berliner Lichtkraftwerker. Eine Energiezentrale müsse aus Gründen der Lüftung frei stehen. Außerdem, meinte Heizmann, rechne sich dort ein Geschäftszentrum nicht.
Mißverstanden fühlt sich der Bezirk Mitte. Durch den neuen Bebauungsplan und den neuen Entwurf „wurde das Energie- und Umspannwerk insgesamt kleiner und kompakter“ gemacht, sagte der zuständige Mitarbeiter im Bauamt Mitte, Klette. Mit den bundeseigenen Flächen könne so sparsamer umgegangen werden. Außerdem habe der Bezirk aus dem Koordinierungsbebauungsplan keine Mantelbebauung „herauslesen“ können. Die neue Planung orientiere sich an den traditionellen Umspannwerken Berlins, die von Peter Behrens und Hans Poelzig in den zwanziger Jahren gebaut wurden. Deren Bauten hätten zur Straßenseite auch große geschlossene Flächen gehabt und keine Läden. Klette: „In die Stadt gehören Industrieanlagen.“ Rolf Lautenschläger
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