: Liebesdienst nur an Phantomen?
■ Korruptionsaffären in der Polizei und Verwaltung / CDU, Innensenator und Polizei tun sich schwer mit Konsequenzen
Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) blaffte den bündnisgrünen Abgeordneten Wolfgang Wieland an: „Es ist eine Falschdarstellung, wenn Sie von einem abgestumpften öffentlichen Dienst reden.“ Dann hielt der Senator mit Mecki-Frisur den Standardvortrag über einen angeblichen Erfolg der Verwaltungsreform, den er im Innenausschuß immer dann abspult, wenn er von für ihn unangenehmen Themen ablenken möchte. Und das war gestern der Fall, denn die Opposition hatte die Korruptionsfälle in Polizei und Verwaltung auf die Tagesordnung des Ausschusses gesetzt.
Fünf Berliner Beamte sind derzeit wegen des Verdachts auf Bestechung vom Dienst suspendiert. Drei Polizisten sollen einem Bordellbesitzer angeboten haben, für 500 Mark pro Woche Razzien anzukündigen. Die Staatsanwaltschaft wirft darüber hinaus zwei Beteiligten vor, für ihr kooperatives Verhalten das Angebot wahrgenommen zu haben, mit Prostituierten kostenlos zu schlafen. Alle drei Zivilbeamten wurden vor einem Monat zwangsbeurlaubt.
Ein Beamter aus der Innenverwaltung ist letzte Woche verhaftet worden, weil er 10.000 Mark von einer chinesischen Schlepperbande angenommen haben soll. Er soll der deutschen Botschaft in Peking unberechtigterweise geschrieben haben, die Einreisegenehmigung für fünf Chinesen sei „aus übergeordnetem Interesse für Berlin“ notwendig. Ein weiterer Beamter der Polizei wurde suspendiert, weil er offenbar von einer niedersächsischen Firma geschmiert wurde, damit diese Aufträge bekommt. Im Zusammenhang mit der Ausrüstungs-Firma gibt es in fünf Bundesländern Ermittlungsverfahren gegen Polizisten.
Bündnisgrüne, FDP und PDS wollten gestern erfahren, was Polizeipräsident und Innensenator nun zu tun gedenken. Wieland (Bündnis 90/Die Grünen) forderte ein „Anti-Korruptions-Konzept“ wie in anderen Städten. Der Abgeordnete befürchtet im Falle genauerer Untersuchungen nämlich, daß man etwa bei der Berliner Baupolitik zu ähnlichen Ergebnissen kommt wie in München oder Frankfurt am Main.
Polizeipräsident Hagen Saberschinsky hielt die Kontrolle in seiner Behörde dagegen für ausreichend. Die Abteilung für Amtsdelikte ermittele strafrechtlich gegen verdächtige Polizisten. Die kürzlich eingerichtete Abteilung „Innere Revision“ prüfe suspekte Vorgänge und schlage Verbesserungen vor. Heckelmann, der sich bei Fragen der Bündnisgrünen demonstrativ wegdrehte, konnte nicht einmal die Anzahl von Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter ihm nachgeordneter Behörden benennen. „Dazu weiß ich auch nichts“, sagte er genervt.
Hans-Georg Lorenz, SPD-Sicherheitsexperte, warnte vor Verallgemeinerungen und plädierte für eine angemessenere Bezahlung von Polizisten und Mitarbeitern der Verwaltung sowie für eine Rotation, damit sich über längere Zeit keine kriminellen Strukturen entwickeln können. Für den CDU- Abgeordneten Jaroch ist die ganze Debatte nur eine „Phantomdiskussion“. Bisher habe keiner der Verdächtigen zugegeben, daß er schuldig sei. CDU-Scharfmacher Dieter Hapel nutzte das Thema wiederum für den Ruf nach härteren Strafen.
Wieland warf daraufhin CDU und SPD vor, das Problem zu verharmlosen. Schließlich sei es allgemeiner Stand der Erkenntnis, daß es sich bei Korruption im öffentlichen Dienst nicht mehr um Einzelfälle, sondern um ein allgemeines Problem handele. Dirk Wildt
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