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Pumprepublik Deutschland Von Mathias Bröckers

Als Papa Kohl letzte Woche im Bundestag puterrot anlief und sich echauffierte, es gehe hier überhaupt niemanden etwas an, wann und wie oft er mit seinem Freund Boris telefoniere – das war mal wieder Küchenkabinett at it's best. Da wurde mal wieder richtig klar, daß dieses Land geführt wird wie die Firma Hesselbach. Wenn es da jemand wagte, den Grund für einen Fehler in der Chaoswirtschaft der Chefin zu suchen, setzte es ein förschterlisches Donnerwetter, doch in Sachen Chaos blieb alles beim alten, und die Kasse stimmte nie. So auch im Bonn des großen Oggersheimers – im außenpolitischen Wischiwaschi bleibt alles beim alten, und über die Kasse wird grundsätzlich nicht geredet. Schon gar nicht darüber, daß die Bundesrepublik immer tiefer in die roten Zahlen rutscht. Schon jetzt ist der Schuldendienst der zweitgrößte Posten im Haushalt, spätestens in fünf Jahren werden die Zinszahlungen an die Nummer eins gerückt sein. Der Löwenanteil jeder neuen Steuermark wird dann für die Bedienung alter Schulden draufgehen, was nur durch die Aufnahme weiterer Kredite ausgeglichen werden kann und das Problem weiter verschärft. Bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag beziehungsweise zum nächsten Weltwährungscrash.

Merkwürdigerweise scheint sich die Öffentlichkeit für die Exorbitanz der Staatsschulden nicht weiter zu interessieren, bei Meinungsumfragen über Sorgen und Nöte der Deutschen spielt die Staatsverschuldung kaum eine Rolle, im Gegenteil: Die überwiegende Mehrheit hat unerschütterliches Zutrauen in die Finanzkraft des Staats. Daß der längst pleite ist und durch ständige Aufnahme neuer Kredite Liquidität nur vortäuscht, diese Tatsache wird aus dem öffentlichen Bewußtsein ausgeblendet. Nicht nur bei uns, sondern zum Beispiel auch in den USA, wo Ronald Reagan in seiner Amstzeit so viele Schulden angehäuft hat wie sämtliche US-Präsidenten vor ihm zusammen. „Reagonomics“ wurde diese Pump-Orgie getauft, so wie unsere hiesige unter „Kosten der Vereiningung“ läuft – elegante Metaphern, die darüber hinwegtäuschen, daß es sich einfach um dumpfe Hochstapler-Ökonomie handelt. Jeder Säugling hat schon 50.000 Mark minus auf dem Konto, wenn er den Scheinwerfer im Kreißsaal erblickt.

Müßte Papa Kohl mit seinem debakulösen Firmenhaushalt zur Schuldenberatung, die Leute dort würden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Zumal sein Junior Wissmann jetzt auch noch einen vollkommen wahnsinnigen Plan gefaßt hat: Weil wegen der Überschuldung all die geplanten Autobahnen nicht mehr bezahlbar sind, soll der Straßenbau künftig privat finanziert werden. Auf deutsch heißt das: Wenn meine Bilanz bei der Bank für keine müde Mark mehr gut ist, muß ich eben zum Kredithai. Daß dadurch der Straßenbau noch mal 20 bis 50 Prozent teurer wird, schert den Verkehrsminister wenig – wenn's ans Zurückzahlen geht, wird er ohnehin nicht mehr im Amt sein. Jeder Privatmann erhielte für derart legeren Umgang mit seinen Schulden das Prädikat „verantwortungslos“, in Bonn nennt man es „solide Finanzpolitik“. Politischen Streit gibt's allenfalls über die Verteilung der gepumpten Milliarden – was die ruinöse Staatsverschuldung angeht, herrscht eine Allparteienkoalition des Schweigens.

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