: Das Märchen vom Musterschüler
Umweltministerin Merkel lobte beim Pressegespräch zur UN-Klimakonferenz in Berlin die 15-prozentige Reduzierung des CO2-Ausstoßes / Im Westen sind Emissionen gestiegen ■ Aus Berlin Annette Jensen
„Wir lassen uns unseren Erfolg nicht kaputtreden“, sagte Umweltministerin Angela Merkel und wurde dabei etwas laut. Gestern hatte sie zum Pressegespräch über die Ende März in Berlin beginnende UN-Klimakonferenz geladen. „Von 1987 bis 1993 ist der CO2-Ausstoß in Deutschland um rund 15 Prozent zurückgegangen“, betonte Merkel ausdrücklich.
Das klingt gut. Aber auch die Umweltministerin mußte einräumen, daß die schöne Zahl überwiegend auf den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft zurückzuführen istund vermutlich in Ländern wie Polen und der Slowakei ähnlich hoch sei. In Westdeutschland wurden hingegen im gleichen Zeitraum nach wie vor mehr Klimakiller in die Luft gepustet als zuvor. „Aber das liegt am Bevölkerungswachstum“, glaubt Merkel. Die Pro-Kopf-Verpestung sei jedenfalls auch dort von 11,7 auf 11,1 Tonnen gesunken.
„In den alten Bundesländern wäre mehr passiert, wenn nicht so viele Mittel für den Umbau nach Osten geflossen wären“, sekundierte Wolfhart Dürrschmidt, im Bundesumweltministerium für Energie zuständig. Das erklärte Ziel der Bundesregierung bleibe weiterhin, die Kohlendioxydemissionen bis zum Jahr 2005 um 25 bis 30 Prozent im Vergleich zu 1987 zu senken. Nebulös war gestern mal wieder, wie das Ziel erreicht werden soll. Zwar hat die Bundesregierung über 100 Einzelmaßnahmen ersonnen – vom Fördertopf für Wärmedämmung in Ostdeutschland bis zur geplanten emissionsabhängigen Kfz-Steuer. Aber nirgendwo steht, wieviel die einzelne Idee bringen soll und wieviel sie tatsächlich schon gebracht hat.
Auch heute liegt bei den neugebauten Energieanlagen die Quote von Wind-, Wasser- und Solarstrom nur „im Promillebereich“, gibt Dürrschmidt zu. Und beim Verkehr, der in den letzten Jahren weiter enorm gewachsen ist, setzt der Energiefachmann im Bonner Umweltministerium weiter auf „Information und Motivation der Bürger“. Undenkbar sei jedenfalls, den Menschen vorschreiben zu wollen, wieviel sie fahren dürften.
Auch Angela Merkel fixiert sich ganz auf den Ausstoß des einzelnen deutschen Wagens: „Sie wissen, welchen Fortschritt es beim Verkehr in Ostdeutschland gegeben hat.“
Was bei der Vertragsstaatenkonferenz herauskommen soll, wußte Merkel nicht konkret. Deutschland finde zwar den Vorschlag kleiner Inselstaaten nach einer 20-prozentigen CO2-Reduzierung der Industrieländer bis zum Jahr 2000 ganz gut. Aber mit einer Energiesteuer will sie – zumindestens ein paar Jahre lang – weiter auf die EU warten.
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