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„Eine kleine Hafenstraße“

■ CDU: Kapitulation vor dem Unrecht / SPD/Grüne: Unchristlich

Der Vertrag für den Umzug der Bürgerinitiative grüner Weidedamm ist unterschrieben, in zwei, drei Wochen soll es losgehen, wenn in Lesum Strom- und Wasseranschluß gelegt sind - das veranlaßte den CDU-Abgeordneten Ronald-Mike Neumeyer, ordentlich nachzutreten. „Ein Arbeiter“ würde das nicht verstehen, meinte er, die Ted-Umfrage des Weser-Report sei eindeutig, „Sie kapitulieren vor dem Unrecht.“ Neumeyer: „Wer ökologisch wohnen will, der soll sich eine Wohnung mieten“ oder einen Kleingarten. Der Senat werde in fünf Jahren, wenn die Nutzung für das Lesum-Gebiet ausläuft, genausowenig in der Lage sein, einen „rechtsfreien Raum“ zu beseitigen, wenn die Leute vom Weidedamm nicht freiwillig gingen. Und wer geht schon davon aus...

Carlo Schreiber (SPD) ging nach dem wahlkämpferischen Rundumschlag ans Rednerpult und fragte nach der „Problemlösung aus christlicher Sicht“: „Alles Rechtsbrecher, Gefahr für Sicherheit und Ordnung, Umweltverschmutzer - sofort räumen, Polizei“, diese Stichworte, so Schreiber, bestimmten das Denken der CDU, die eine „Strategie der Eskalation“ betriebe in der Vorstellung, „eine kleine Hafenstraße für das Wahljahr 1995“ wäre für die Christunion von Vorteil.

Das sei aber nicht wie im „wilden Afrika“ dort, versicherte Schreiber, er „habe den Weg nicht gescheut“, mit den Leuten zu reden. Er hoffe, daß „nach einer Phase der Irritation“ man sich auch in Lesum an diejenigen, „die von der Norm abweichend leben und wohnen wollen“, gewöhnen werde.

Völlig erbost waren die CDU-Abgeordneten, als dann auch Stadt-entwicklungssenator Fücks darüber redete, daß es sich „für eine christliche Partei gehören sollte“, nicht Ängste zu schüren, sondern den „schlimmen Tönen“ wie „Ungeziefer“ und „Müll der Stadt“ entgegenzutreten, wenn Anwohner so reden - ausgerechnet in der Weihnachtszeit, wo die Geschichte von dem obdachlosen Paar in Bethlehem oft erzählt wird.

„Toleranz und Liberalität“ sei ein „zunehmend knappes Gut“, beklagte Fücks, und freute sich wie die Fraktionssprecherin Hackstein darüber, daß die „Sheriff-Mentalität“ der CDU in Bremen nicht gesiegt hat.

Das Schicksal des „Grünen Weidedamm“ in Lesum in fünf Jahren, da waren sich alle einig, hängt davon ab, was dann in Bremen regiert. K.W.

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