piwik no script img

Wenn Männer Giraffen jagen Von Andrea Böhm

Es gibt nichts, wozu sich manche Männer tiefschürfendere Gedanken machen als zur Rolle der Frauen im Militär. Newt Gingrich, der sich schon über solche Schicksalsfragen wie die Arbeitsplatzbeschaffung für Rollstuhlfahrer auf dem Mond, die Einführung des Schulgebets auf der Erde oder den verheerenden Einfluß der 68er Generation auf die NASA den Kopf zerbrochen hat, macht da keine Ausnahme.

Frauen, so teilte der neue Superstar in Washington mit, seien für Kampfeinsätze im Feld ungeeignet, weil sie nach dreißig Tagen im Schützengraben „Infektionen kriegen. Außerdem fehlt ihnen Muskelkraft im Oberkörper.“ Männer hingegen hätten mit einem solch widrigen Daseinszustand überhaupt keine Probleme. „Die sind im Prinzip wie kleine Ferkel. Man schmeißt sie in den Graben – und sie fangen an, sich zu rollen.“ Geht es allerdings um die Bewältigung des gehobenen Kriegshandwerks, zum Beispiel die Bedienung eines computergesteuerten Raketensystems, dann könnte die Frau „dramatisch besser geeignet sein als der Mann, der sehr, sehr frustriert wird, wenn er die ganze Zeit auf einem Stuhl sitzen muß. Denn biologische Veranlagung treibt Männer dazu, loszuziehen und Giraffen zu jagen.“

Da drängt sich der verdutzten Leserschaft natürlich sofort die Frage auf: Warum ausgerechnet Giraffen? Warum keine Büffel, Tiger, Löwen oder Elefanten? Meinetwegen auch Fasane, Enten oder Rebhühner. Aber nein, Giraffen hat er gesagt, die als Jagdbeute doch ziemlich unhandlich sind. Und was zum Teufel soll man denn mit einer abgeschossenen Giraffe anfangen?

Nun kann das Pentagon von Glück reden, daß sitzende männliche Soldaten im Golfkrieg und anderen Militäreinsätzen der USA das starke Bedürfnis unterdrückt haben, ihren Posten zu verlassen und der nächstbesten Giraffe hinterherzujagen. Wie oft Mr. Gingrich, der eine weitgehend sitzende Tätigkeit ausübt, diesen Drang schon verspürt hat, ist bislang unklar. Erwiesen ist, daß es sich bei dem 51jährigen um einen Zoo-Liebhaber handelt. Aus dem Giraffenhaus des Washingtoner Tierparks wurden bislang keine besonderen Vorkommnisse gemeldet.

Im dunkeln liegen auch die empirischen Quellen, die der Sprecher des US-Repräsentantenhauses für seine oben zitierten Schlußfolgerungen zugrunde gelegt hat. Das Pentagon äußerte sich weder zur angeblichen Infektionsanfälligkeit von Soldatinnen noch zum ferkelähnlichen Verhalten von Soldaten. Aus dem Verteidigungsministerium hieß es lediglich, daß man nach Möglichkeit vermeidet, Soldaten dreißig Tage lang in einem Schützengraben sitzen zu lassen – unabhängig von Geschlecht oder Gattung. Am Ende blieb es – in klassischer Doppelbelastung – wieder einmal an einer Frau hängen, beide Geschlechter in Schutz zu nehmen: Von monatlichen „Infektionen“ bei Frauen sei ihr nichts bekannt, erklärte Patricia Schroeder, demokratische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus. Ihre männlichen Verwandten habe sie zwar schon bei der Arbeit im Graben beobachten können, aber diese hätten dabei weder gequiekt noch sich wie Ferkel gerollt. Vielleicht sollte man Newt Gingrich mit einer Giraffe in einen Graben stecken und einfach abwarten, was passiert.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen