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■ StandbildMit Kohlenstaub gepudert

„Tot auf Halde“, Montag, 19.25 Uhr, ZDF

„Hin isser“, der Heinrich. „Ausgerutscht isser“ nämlich und liegt jetzt irgendwo zwischen Materiallager und Schaufelbagger. Heinrichs „Vatta“ Max braucht jetzt erst mal ein Bier. „Auf Zeche gehse kaputt.“ „So is dat.“ Und die da oben „tun ihren Deckel auf 'n Pütt und ab damit.“ Mit dem Blick auf den Gefallenen beginnt Theodor Kotullas schwermütiges Panorama von einer sterbenden Region.

In dem TV-Film nach Henry Jaegers Roman „Glückauf Kumpel oder Der große Beschiß“ spricht das Volk eine einfache Sprache. Jedem Dialog, jeder Einstellung mit Schutt und Schrankwand merkt man das Bemühen eines Regisseurs um Volkstümlichkeit an. Die Handlung arbeitet mit schlichten Antagonismen und reduziert den Konflikt zwischen Arbeit und Kapital auf griffige Konstellationen: Die Polizei schert sich nicht um den toten armen Heinrich. Das reiche Apothekersöhnchen Jochen darf nichts mit Heinrichs Schwester Susanne anfangen. Beherztes Parolengewitter am Tresen, verblasene Öko-Philosophie in den Salons der Begüterten. Kotullas Helden sind derbe, engagierte Bergbauburschen, die für das Überleben ihrer Zeche auch mal auf ihren Schnaps verzichten. Ärzte und Apotheker bleiben bleiche, fischige Gesellen, die sich mehr um defekte Wintergartentüren und sterbende Wälder kümmern als um ihre unbefriedigten Gattinnen.

Etwas Sex, etwas Crime und ein bißchen Rassismus. Davon aber nur soviel, daß die wackere Susanne ihn mit einer Ohrfeige in ein Prol-Gesicht aus der Welt watschen kann. Kotulla träumt von einer Verbrüderung mit den Massen vor und auf der Mattscheibe. Doch seine mit Kohlenstaub gepuderten Figuren bevölkern bloß ein hübsches Reservat. Angst um den Arbeitsplatz verkitscht zu einem verqueren Blut- und-Boden-Mythos.

Aller Kumpanei zum Trotz wirkt das Drehbuch (Frank Göhre) streckenweise so didaktisch, als habe ein Redakteur für Wirtschaft und Soziales daran mitgeschrieben. Da stellt Max sich uns als potentieller „Anpassungsgeldempfänger“ vor, erklärt den „Jahrhundertvertrag“ in der Kohle-Industrie wie ein Dozent für Volkswirtschaftslehre, und Kumpel Erwin ist traurig, daß „wir alle am Subventionstropf hängen“. Die Versöhnung zwischen Jürgen-von-Manger-Kolorit und SPD-Parteitagsrhetorik ist gründlich mißglückt. Birgit Glombitza

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