: Das nahende Aus für Richter Orlet
Vier Schöffen verweigern schon Zusammenarbeit mit dem Richter, der so viel Verständnis für Deckert aufbrachte / Fraktionen des Stuttgarter Landtags wollen Richteranklage beraten ■ Von Julia Albrecht
Berlin (taz) – Es bewegt sich einiges um den Richter Rainer Orlet vom Mannheimer Landgericht. Um ebenjenen Richter, der sich mit dem rechtsradikalen Auschwitzleugner Günter Deckert in einer Urteilsbegründung so innig identifiziert hatte. Mittlerweile sind es bereits vier Schöffen, die sich weigern, mit dem Richter zusammenzuarbeiten.
Und im baden-württembergischen Landtag wird ernsthaft darüber nachgedacht, ob eine Richteranklage mit dem Ziel seiner Entlassung oder Versetzung möglich ist. Noch ist unklar, wie das Gericht auf die revoltierenden Schöffen reagiert. Für eine Weigerung, mit bestimmten Richtern zusammenzuarbeiten, gibt es keine Rechtsgrundlage.
Der Paragraph 54 des Gerichtsverfassungsgesetzes, wonach Schöffen auf Antrag von einzelnen Sitzungstagen entbunden werden können, paßt auf die Situation nicht. Denn per Gesetz ist nur die Verhinderung wegen Krankheit oder zwingender beruflicher Gründe vorgesehen. Klar ist nur, daß über das Begehren der Schöffen nun der Vorsitzende der Orlet-Kammer, Richter Müller, zu befinden hat. Und der ist im Moment in Urlaub. Wird er keine Lösung finden, sprich: wird er die Ansicht vertreten, daß er die Schöffen von den entsprechenden Verhandlungstagen nicht entbinden kann, dann geht's in Mannheim rund. Dann werden die Schöffen nämlich an den vorgesehenen Verhandlungstagen nicht erscheinen, und der Vorsitzende muß gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von fünf bis tausend Mark verhängen.
An einem anderen Strang gegen Richter Orlet zieht der baden- württembergische Landtag. Dort hat der Vorsitzende der Fraktion der Sozialdemokraten, Ulrich Maurer, einen Brief an die Vorsitzenden aller anderen Fraktionen – mit Ausnahme der Reps – geschrieben mit der Bitte, sich zusammenzusetzen. Gemeinsam soll darüber debattiert werden, ob der Landtag eine Richteranklage gegen Orlet befürwortet. Diese Maßnahme ist möglich, wenn ein Richter gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen hat. Sie kann, bei Erfolg, zur Entlassung oder Versetzung des Richters führen. Über den Antrag entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Der Antrag selbst kann jedoch, mit den Stimmen der Mehrheit der Mitglieder, von einem Landtag eingebracht werden. „Wir wollen den Richter Orlet daran hindern, daß er weitere Urteile abfaßt. Das Schlimmste ist ja, daß er keinerlei Unrechtsbewußtsein hat“, faßt Pressesprecher Hans Lange die Auffassung der SPD zusammen. Die Besprechung mit den anderen Fraktionen wird am 1. Februar stattfinden. Der Flurfunk meldet, daß die Grünen und die Gelben dem Vorschlag offen gegenüberstehen. Die Schwarzen halten sich bedeckt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen