: Einseitige Rosinenpickerei
■ Interview mit Ursula Engelen-Kefer, seit 1990 stellvertretende Vorsitzende des DGB, zum Bonner Gipfel
taz: Frau Engelen-Kefer, Ihr Kollege Dieter Schulte hat für den Fall einer drastischen Arbeitszeitverkürzung den Arbeitgebern die Zustimmung zur Samstagsarbeit in Aussicht gestellt. Ist das der Kurswechsel?
Ursula Engelen-Kefer: Nein! Das ist auch von Dieter Schulte so nie angeboten worden, sondern diese Version resultiert aus einer einseitigen Rosinenpickerei derjenigen, die das gerne so sähen, nämlich von Herrn Murmann und Herrn Rexrodt. Einige Kommentatoren haben das natürlich mit Lust aufgegriffen. Klar ist, die Gewerkschaften streben die Arbeitszeitverkürzung in allen Formen an. Neben der Wochenarbeitszeit geht es dabei auch um Vorruhestandsregelungen und Teilzeitarbeit. Ein generelles Zugeständnis, dafür quasi den Samstag zur Verfügung zu stellen oder massiven Lohneinbußen zuzustimmen, gibt es aber von unserer Seite aus nicht.
Herr Schulte hat den Samstag ins Gespräch gebracht...
...Erstens einmal hat der Kollege Schulte das beschrieben, was ja bereits praktiziert wird. Wir haben ja Flexibilisierungsmodelle bereits in den Tarifverträgen. Für über sechs Millionen Beschäftigte existieren heute schon Arbeitszeitskorridore, die Arbeitszeiten zwischen 32 und 40 Stunden erlauben. Ein Drittel der Beschäftigten arbeitet bereits samstags.
Was will denn der DGB selbst zur „Beschäftigungsoffensive“ anbieten?
Der DGB hat sich bereits geöffnet. Schauen Sie sich die Tarifverträge an. Wir sind mittendrin in einer Flexibilisierungsstrategie der Gewerkschaften und der Betriebsräte. Und das bieten wir weiter an.
Kanzler Kohl wertet Schultes Äußerungen als „erstaunliche Positionsveränderung“. Alles nur ein Mißverständnis?
Ich weiß nicht genau, was Herr Kohl damit gemeint hat, aber vielleicht bezog sich diese Äußerung auf unsere generelle Bereitschaft, die von uns eingeschlagene Flexibilisierungsstrategie fortzusetzen.
Generelle Wochenarbeitszeitverkürzungen konnten in der Vergangenheit in der Regel nur durch Streiks durchgesetzt werden. Hoffen Sie jetzt auf die Einsicht der Unternehmer?
Das ist genau der Knackpunkt, um den es bei dem Kanzlergespräch gehen müßte. Dort werden ja keine Tarifverhandlungen geführt, sondern in so einer Runde kann ja nur der Rahmen abgesteckt werden. Wenn dort Einigkeit erzielt werden könnte, daß wir fortfahren müssen bei der Strategie der Arbeitszeitverkürzung in den unterschiedlichsten Formen, dann wäre das allerdings ein bedeutendes Signal an die Tarifparteien und an den Gesetzgeber. Gerade die Politik müßte ja beim Vorruhestand und bei der Ausweitung qualifizierter Teilzeitarbeit flankierende Regelungen treffen. Wir brauchen auch bei anziehender Konjunktur neue Initiativen und Instrumente. Und darum geht es jetzt. Interview: Walter Jakobs
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