: Othello im Dschungel des Musicbusiness
■ Shakespeare auf jungdeutsch: Die Berliner Theaterproduktion Strahl ist mit „Black Out“ in Bremen
Ist es schon Rassismus, fragt sich Casio, wenn er zu seinen nach Knoblauch stinkenden türkischen Freunden sagt, daß sie nach Knoblauch stinken? Wieder einmal hat die Berliner (Jugend-)Theater Produktion Strahl ein „heißes Eisen“ angefaßt, nach Aids, Verhütung, Homosexualität nun das Thema Angst vor dem Fremden. Ein Shakespeare für Jugendliche ist daraus geworden, oder Othello in Norddeutschland im Jahre 1994. „BlackOut“, das neue Musical von Strahl, ist zur Zeit auf der Bühne der Shakespeare-Company zu sehen.
„Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehn“ – verpflanzt man Othello, den tapferen Feldherrn aus Venedig in unsere Zeit, ist der Effekt der gleiche: Der „Mohr“ sirbt, hier in Person des afro-deutschen, schwarzen Bandsängers Otto Schmidt, er bringt sich um. Zurück bleibt ein schlechtes Gewissen und insgeheim auch die Frage, wer denn nun eigentlich daran wirklich Schuld hat.
Bei „Black Out“ könnte man auch behaupten, daß „Herr von Sony“ schuld ist. Wir haben es mit dem klassischen Fall „Eine aufstrebende Band beginnt sich zu entzweien, sobald der Durchbruch in Form einer Plattenproduktion naht“, zu tun: Die vierköpfige Band 6 Blu Sox & 2 (für Knobelfans) gewinnt ihren ersten Wettbewerb und verliert ab dato ihre musikalische Unbekümmertheit. Vorher waren die Vier noch eins mit der Kreuzberger U-Bahn und ihrem trashigen Deutsch-Rock. Da war noch Otto (Norman Stehr) der Sänger. Casio (Wolfgang Stüßel) war der Spaßmacher, der so heißt wie sein Keyboard, EMI am Schlagzeug die von Elektrona (Cathrin Störmer) und Kuschi (Alfred Hartung) der heimliche Chef. Sobald aber „Herr von Sony“, der Unsichtbare, und die Marktgesetze ins Spiel kommen, mutiert Otto der „charismatische, multikulti frontman“. Kuschi erträgt das nicht und beginnt, gegen Otto und dessen Freundin Mona (Beate Fischer) zu intrigieren.
Auf einmal ist Otto der schwarze Peter im wahrsten, im unangenehmsten Sinn des Wortes. Black ist out, white ist in. Was vorher in der Band nicht Thema war, das Thema Rassismus, bricht auf Tournee in Neuharlingersiel (Bremen-Bezug) durch, als sei es vorher mühevollst zugedeckelt worden. „Du ärgerst dich schwarz“, „Wir sind hier nicht im Urwald“, wirft die Band ihrem Otto an den Kopf. Die Frage nach Ursache und Wirkung verflüchtigt sich in Geschrei, Trotz und Angst.
Man glaubt den 6 Blu Sox & 2 ihren flott gespielten Seelencrash auf der Bühne. Da stehen nur Megaboxen, das reicht jedoch bestens, und die Band plus Mona kommt mit einigen Akkorden, ein paar Träumen und dem Wortlose hinter ihrem Getöse gut aus. Ist es so, fragt man automatisch die jungen Leute im Publikum. Es ist so, sagen ein paar. Was leider anscheinend auch immer (noch) so ist, ist die Geschlechtertrennung; die Männder fechten den Bandkrieg, die Damen werden hin- und herreicht. Wobei es dann schon wieder konsequent ist, daß am Ende, als 6 Blu Sox & 2 im Studio für den toten Otto „Er war einer von uns und zu bunt für diese Welt“ trällert, nur eine der Frauen „Scheiße“ sagt. Silvia Plahl
Weitere Aufführungen heute 10 Uhr, morgen 10 und 19 Uhr, Theater am Leibnizplatz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen