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„Unanständig und schamlos“

■ Eine Argumentationshilfe für alle NichtraucherInnen: Dokumentation eines Urteils des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1959 zum Verkauf in Automaten

Für den Abgeordneten Köppl, der vorschlägt, Zigaretten nur noch im Spezialgeschäft zu verkaufen, und alle NichtraucherInnen:

„Dennoch nimmt es das natürliche Schamgefühl um der Gesundheit des menschlichen Körpers willen noch hin, daß die Mittel öffentlich (z.B. in Zeitungen und anderen Schriften) angekündigt und angepriesen oder (z.B. in Schaufenstern) ausgestellt werden, sofern dies unauffällig und unaufdringlich geschieht... Bei allen anständigen und gesitteten Menschen muß aber Ärgernis erregen, wer solche Mittel auf öffentlichen Straßen und Plätzen ausstellt, feilhält und verkauft.

Dies gilt erst recht bei einem Warenautomaten, der zur Straße hin angebracht ist. Denn auf solche Weise werden jene Mittel nicht bloß wie in einer Zeitschrift angekündigt oder wie in der Auslage eines Schaufensters ausgestellt, sondern vor aller Augen in den Verkehr gebracht. Sie erhalten so, zumal im Angebot neben Gegenständen des täglichen Gebrauchs, den Anschein des Unverfänglichen und Selbstverständlichen. Es muß namentlich bei Kindern und Jugendlichen alle Begriffe von Sitte und Anstand hoffnungslos verwirren und das Schamgefühl zuletzt zerstören.

Dazu kommt, daß der Automat die Mittel nicht nur jedem anpreist, der vorübergeht, sondern zugleich mit der gewünschten Ware wahllos jeden bedient, der die verlangte Münze einwirft: Kinder, Halbwüchsige und Erwachsene ohne jeden Unterschied. Damit sind entscheidende Sicherungen dagegen ausgeschaltet, daß (diese) Mittel in unberufene Hände gelangen: Das natürliche Schamgefühl, das insbesondere den Unreifen davon abhalten wird, sie in einem Geschäft zu erwerben, und das Verantwortungsbewußtsein des Kaufmanns, das diesen überwinden muß, sie ihm zu überlassen.

Daß erst seine Scham überwinden muß, wer solche Gegenstände im Geschäft, nur unter vier Augen, erwerben will, kennzeichnet das Peinliche des Vorgangs. Diesen durch einen Automaten so in die Öffentlichkeit zu verlegen, daß ihn jedermann beobachten kann, muß notwendig Anstoß erregen. Kein Geschäftsmann, der sich noch ein Gefühl für Verantwortung und Anstand bewahrt hat, kann (diese) Mittel z.B. Kindern oder Jugendlichen, Schwachsinnigen oder gar Geisteskranken überlassen.

Derartiges gerade zu ermöglichen, und zwar vor aller Welt, auf öffentlichen Plätzen oder Straßen, und auf solche Weise sich um leichteren Gelderwerbs willen der Verantwortung mit Hilfe eines verantwortungsunfähigen toten Mechanismus zu entledigen, ist unanständig und schamlos.

Lebensfremd ist die Meinung, daß der Preis, den der Automat abverlangt, und die Höhe des Einwurfschlitzes über dem Erdboden hinreichende Abhilfe biete. (...) Der Einwurfschlitz, noch so hoch angebracht, ist mindestens Jugendlichen von der beginnenden Reifung ab bei der allgemein bekannten Erscheinung ihrer körperlichen Entwicklungsbeschleunigung mühelos erreichbar. Daher kann die Allgemeinheit nicht zusehen, wie das Beginnen um sich greift, Gegenstände der ... bezeichneten Art in Warenautomaten an öffentlichen Straßen oder Plätzen auszustellen und feilzubieten.“ (BGH, 17.3. 1959 / 1 StR 562/58, NJW 1959, Heft 24, S. 1092)

Das Urteil beschäftigte sich zwar nicht mit Zigarettenautomaten. Der eigentliche das Schamgefühl verletzende Automateninhalt waren damals: Präservative. Sigrid Bellack / Ex-Raucherin

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