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Kroatien neigt sich sachte gen Belgrad

Erstes Opfer: Die Föderation zwischen bosnischen Kroaten und Muslimen / Wiederaufbau in Mostar blockiert / EU-Verwalter Koschnick droht: „Ich kann nach Hause gehen“  ■ Aus Mostar Erich Rathfelder

Platzt die bosniakisch-kroatische Föderation? Äußerliches Zeichen für wachsende Spannungen zwischen bosnischen Kroaten und Muslimen in der Region von Mostar ist die kroatische Blockade der wichtigen Straße, die Mostar mit Kroatien und der Adriaküste verbindet. Mit der seit Mittwoch nachmittag andauernden Blockade bei Buna – einem Dorf, etwa zehn Kilometer südwestlich von Mostar – schneiden die bosnischen Kroaten das von der bosnischen Regierung kontrollierte Zentralbosnien und Sarajevo erneut vom Hinterland ab, wie zu Zeiten der kroatisch- muslimischen Kämpfe. Experten der EU-Verwaltung in Mostar sehen dies als lokale Aktion an, weisen jedoch darauf hin, daß nach bisherigen Erfahrungen solche Aktionen auch „von oben“ gesteuert sein können. Seit Wochen schon kommt es immer wieder zu Zwischenfällen bis hin zu kleineren Schießereien zwischen beiden Volksgruppen in Mostar und Zentralbosnien.

Die kroatische Seite habe trotz der Bildung der bosniakisch-kroatischen Föderation bisher verhindert, daß das von langer kroatischer Belagerung gezeichnete muslimische Ost-Mostar mit fließendem Wasser und mit Strom versorgt werden kann, hieß es im Hauptquartier der EU-Verwaltung. Hans Koschnick, EU-Administrator der Stadt, sagt, die Stromversorgung sei deshalb nicht gewährleistet, weil die kroatische Seite sich weigere, bei einem Wasserkraftwerk am Fluß Neretva auf bosniakisch kontrolliertem Gebiet die dort liegenden Minen räumen zu lassen. Deshalb habe die bosniakische Seite sich geweigert, die notwendigen Reparaturarbeiten am Kraftwerk auszuführen.

In die Kritik geraten ist inzwischen jedoch das Projekt der EU- Verwaltung selbst. „Wenn es die Administration nach einem halben Jahr noch nicht schafft, die elementarste Versorgung mit Wasser und Strom für den Ostteil zu gewährleisten, während im kroatischen Westteil alles vorhanden ist, dann ist das Ziel verfehlt“, sagt ein Ingenieur aus einem westeuropäischen Land, der an einem Wasserleitungsprojekt beteiligt ist. Die ständige Entschuldigung, die kroatische Seite blockiere jeglichen Fortschritt, könne auf Dauer nicht mehr gelten.

Offenbar aus dem Druck heraus, endlich handeln zu müssen, forderte Koschnick letzte Woche ein Treffen mit der kroatischen Staatsspitze in Mostar, zu dem dann am Wochenende aus Kroatien Ministerpräsident Valentic, Außenminister Granic und Verteidigungsminister Susak kamen. Dabei habe Kroatien versprochen, Druck auf die Führung der bosnischen Kroaten auszuüben. Dies sei jedoch erschwert durch die unübersichtliche Machtstruktur auf der kroatisch-bosnischen Seite, sagt Koschnick. Er jedenfalls könne „jeden Tag nach Hause gehen“, und das Projekt der EU-Verwaltung könne gestoppt werden. Die kroatische Seite sollte sich überlegen, welche Konsequenzen dies für das Ansehen Kroatiens mit sich bringen würde.

Hintergrund der Krise könnte nach Einschätzung von Euro-Experten die serbisch-kroatische Annäherung in der Frage des vom kroatischen Präsident Tudjman geforderten Abzugs der UNO- Truppen aus Kroatien darstellen. Denn dies könne andeuten, daß es in wichtigen Fragen schon zu einem Arrangement zwischen Serbien und Kroatien gekommen ist. Hans Koschnick geht jedoch davon aus, daß die UNO-Truppen sowohl in Kroatien wie auch in Bosnien stationiert bleiben werden – „es könnte aber zu einer Veränderung des Mandates kommen“. Die nun diskutierte Veränderung des Mandats der UNO- Truppen, so befürchtet dagegen die bosnische Seite, würde sich unter den gegebenen Umständen wohl gegen die Regierung in Sarajevo richten. Die Blockade der Straße bei Mostar könnte eine erste Konsequenz dieser neuen Konstellation sein.

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