: Von Cork nach Cork
Eine Radtour entlang der irischen Südküste ■ Von Robert Fishman
Zeit steckt an in einem Land, wo die Autofahrer Radler nur in weitem Bogen überholen, und an der irischen Südküste hat der graue Himmel mehr Farben als anderswo. „Saint Patrick“, bestellt die gepflegte ältere Dame, während sie den im Takt des alten Dieselmotors vibrierenden Bus erklimmt und dem Fahrer einen Geldschein entgegenstreckt. Ob es nicht Saint Anne gewesen sei, wo die Reisende hinwolle, fragt dieser daraufhin und meint, daß sie zumindest nach ihrer letzten Landung in Irland vor einem Jahr dorthin gefahren sei. „Ach ja, stimmt“, entschuldigt sich die Besucherin mit dem Hinweis auf den langen Flug aus New York nach Shannon.
Dreieinhalb Stunden dauert die Fahrt über die hemmungslos in die Landschaft geklotzte neue Nationalstraße nach Cork. Die mit 133.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt der Republik bemüht sich, ihre Geschichte als Industrie- und Hafenstadt wegzusanieren. Nur jenseits des North Channel am Fuße des steilen St. Patrick Hill hat sich in den letzten Jahrzehnten weniger verändert. Das Metropole-Hotel gegenüber dem Busbahnhof sieht auch von innen noch etwa so aus, wie es vor gut hundert Jahren gebaut wurde. Ganz modern in hellem Holz und vor allem wesentlich preiswerter zeigt sich schräg über den St. Patrick's Quay das Jugendgästehaus, wo die Tour der Irish Cycling Safaris beginnt.
Am ersten Tag der Cork County Tour radelt die Gruppe, vom Gepäcklieferwagen begleitet und mit einer fotokopierten Karte ausgestattet, den River Lee aufwärts über Macroom bis zu seiner Quelle bei Gougane Barra. St. Finbar, einer der ersten Mönche Irlands, hat die Halbinsel im tiefschwarzen See über dem Ort einst als Stätte der Meditation entdeckt. Heute steht dort eine Kapelle.
Am nächsten Tag geht es bergab in die alte Hafenstadt Bantry, die sich in den hintersten Winkel der gleichnamigen Bucht schmiegt. Zweimal landeten hier irische und französische Schiffe, um die britische Besatzungsmacht zu vertreiben, und zweimal scheiterte die Invasion. Im Bantry House, einem edlen Landhaus außerhalb der Stadt, erinnert ein dürftiges Museum an die Geschichte der Bucht.
Die steilen Hügel auf der Halbinsel Sheepshead geben Ausblicke über die zerklüftete Küste. Dann einige rasante Abfahrten nach steilen Aufstiegen über mehrere Kilometer. Der Pub im Fünf-Häuser-Dorf Kilcrohane hat bis lange nach Mitternacht auf, weil, so die Wirtin, „die Polizisten keine Lust haben, zum Kontrollieren bis hier raus zu fahren“. Andernorts gilt die von den Briten hinterlassene Sperrstunde um 23 Uhr.
Um so besser, denn am nächsten Tag geht es über den Berg Gabriel, mit 407 Metern höchste Herausforderung auf der Tour, zum Hafen Skull. Von Skull aus bringt ein kleines Fischerboot die Touristen und Einheimischen auf die weit draußen im Ozean gelegene Clear Island. Die Älteren unter den nur noch zweihundert Inselbewohnern sprechen noch Gälisch. Um den Platz über dem aus einem Anlegesteg bestehenden Hafen Baltimore auf dem Festland drängen sich ein kleiner Laden mit Poststelle, zwei Kneipen und ein gutes und teures Fischrestaurant.
Die Reise geht weiter Richtung Glandore auf der über weite Strecken kaum befahrenen Uferstraße. Bei Ebbe liegen verlassene Boote scheinbar mitten im Land, das sich der an manchen Stellen kilometerweit entfernte Ozean erst mit der Flut wieder holt. Die stillen Buchten ziehen Segler und Surfer an, reiche Iren bauen sich hier gerne ein Wochenendhaus mit Blick über die wild zerklüftete Küste. Während das Kleinstädtchen Clonakilty, vorletztes Quartier auf der Strecke, seinen Charme bewahrt hat, ist Kinsale ganz dem Tourismus verfallen. Die schön erhaltene alte Stadt, an einem Fjord gelegen, besteht nur noch aus Restaurants und Andenkenläden. Hier beginnt dann auch der Rückweg über extrem steile Berge landeinwärts nach Cork.
Veranstalter: Irish Cycling Safari, Eamon Ryan 7, Dartry Park, Dublin 6; in Berlin vertreten durch Highlands und Islands Reisebüro in der Eisenacher Straße (Schöneberg).
Preis der Tour ohne Flug 780 Mark. Allgemeine Irland-Infos bei der Irischen Fremdenverkehrszentrale, Untermainanlage 7,
60329 Frankfurt/M.
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