Ohne mich die Sintflut

Keine Wasserstandsmeldungen und kein Gejammer mehr! Das Hochwasser ist keine Katastrophe, sondern nur langweilig, meint  ■ Bernd Müllender

Trockenstadt (taz) – Stets zur Winterszeit, der neuen eurotropischen Regenzeit also, kommt der Ruf aus Berlin: Reporter, fahre an den Rhein. Das ist doch so schön und so schön schrecklich. Und weil man wirklich mal etwas anderes schreiben müsse über die neue Flut. Die einen denken an etwas Heiter-Spaßiges („Das muß doch auch seine guten Seiten haben“), die anderen an neue ökologisch- besinnliche Erkenntnisse, die zwischen den vielen schlammig-braunen Tröpflein dahergeflossen kämen.

Nein, ich fahre nicht mehr an den Rhein mit seinen Gezeitenwechseln. Fährt der Hamburger viermal täglich an den Nordseestrand, um Ebbe und Flut zu bestaunen? Natürlich nicht. Hochwasser ist langweilig. Die Gründe sind hausgemacht, also bekannt und deshalb offenbar unabänderlich. Sich darüber beklagen? Über ökologische Sünden, Betonwut, Versiegelung? Tausendmal probiert, tausendmal ist nichts passiert.

Nein, Jahrhundertfluten im Jahrestakt haben den Charme von Wasserwerksjahresbilanzen in der Kreisstadt. Die gewässerten Siedlungsbereiche beweisen nur die Lernunfähigkeit des Rheinländers und seinen kompromißlosen Konservatismus: Genau wie der bevorstehende Karneval wieder exakt gleich witzig sein wird wie der letzte, bleibt der Rheinländer in Strandnähe wohnen. Das will er so. So ist er eben. Soll man ihn bedauern im feuchten Hab und Gut? Sein Schicksal beklagen? Oder mit denen vergleichen, die in ein Häuschen auf einem Vulkanrand ziehen respektive im Nordseewatt Baugrund erwerben? Die Kölner Hochwasserschutzzentrale mag sich dramatisch verrechnet haben, und heute Nacht schwappt's über die lächerlichen Spundwände – gut so.

Nein, soll das Wasser meinetwegen die Kölner Altstadt mitreißen und erst in Düsseldorf wieder ausschütten. Sollen sie im Dom Aqua- Messen feiern und der genagelte Herr kieloben schwimmen. Hochwasser entspricht mittlerweile einem faden Prinzip: „Hund beißt Mann.“ Und neue Rekordmarken, sozusagen Höherwasser, statt banalem Hochwasser, das ist wie „Hund beißt Mann etwas kräftiger.“ Wir beklagen unsere Zerstörungswut wider die Natur? Jetzt zeigt sie doch, daß sie lebt. Und schon sind wir auch nicht mehr zufrieden.

Nein, erst wenn der Rhein mal wieder ein ganzes Jahr lang im Bette schlummert, dann mache ich mich auf. Und versprochen sei: Es wird eine rasante Reportage über eine flüssige Sensation. Wassermangel, marsch!