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Genossen, ihr seid mein Souverän

■ Bis Sonntag streiten die PDS-Delegierten um den rechten linken Kurs / Diplomatisches Eröffnungsreferat von Parteichef Bisky zu den „fünf Standpunkten“

Berlin (taz) – Zwei Delegierte grüßen sich. Sagt der eine: „Grüß' dich Reformer!“ Raunt der andere: „Reformer? Ich dachte, ich bin für dich nur noch Sozialdemokrat.“ Der kurze Schlagabtausch am Rande der Rede von Parteichef Lothar Bisky sagt einiges aus über das Befinden unter den GenossInnen. Und einiges mehr, als der Parteivorsitzende gestern in seiner Eröffnungsrede beim Parteitag zum gegenwärtigen Streit in der PDS zu sagen hat. Wenn man überhaupt von einer Rede sprechen will. Tagungsleiter Roland Claus trifft den Nagel auf den Kopf, als er sich nach über neunzig Minuten beim Chef für das umfassende „Referat“ bedankt. Rhetorik ist die Stärke Biskys nun mal nicht. Mühsam schleppt sich der Parteichef durch die 20 Seiten seines Manuskripts. Vielleicht, mutmaßt einer der Parteitagsteilnehmer, liegt's auch daran, daß Bisky den Text vorher nicht so recht studieren konnte, weil die ursprüngliche Fassung am Vorabend von der Parteispitze gekanzelt worden war. Weil zu polemisch, nicht ausgewogen, ein falsches Signal.

Im Vorfeld hatte der Parteichef angekündigt, sein Amt nicht fortführen zu wollen, wenn die Delegierten den von ihm miteingebrachten Initiativantrag „zu den fünf wichtigsten Diskussionspunkten der gegenwärtigen Debatte in der PDS“ nicht verabschieden. In der Rede von gestern fällt die Drohung eher zaghaft aus: „Bitte“, sagt er abweichend vom verteilten Redetext, „nehmt die fünf Standpunkte an. Damit entscheidet ihr über das Schicksal der Partei und über mich.“ Den Delegierten mutet er zu: „Ihr seid mein Souverän, mein höchstes Gericht.“

Den „Souverän“ führt auch der PDS-Mann Kutzmutz im Munde, der im letzten Jahr beinahe zum Oberbürgermeister in Potsdam gewählt worden wäre. Souverän werde der Parteitag mit den innerparteilichen Streitigkeiten umgehen. Er werde die medial reichlich überschätzte Kommunistischen Plattform schon zurechtstutzen. Kutzmutz ist überzeugt, daß die große Mehrheit der Delegierten sich im Verlauf des dreitägigen Parteitages für die „aktuelle Einbringung in die Politik“ und gegen den „akademischen Elfenbeinturm“ gesellschaftswissenschaftlicher Debatten à la PDS entscheiden wird.

Die aus dem „Elfenbeinturm“ sind gegen die so wichtigen Thesen. Noch während Bisky spricht, gibt KPF-Sprecherin Sahra Wagenknecht ihren Antrag für einen Redebeitrag bei der anschließenden Generaldebatte ab. Sie darf als Dritte, aber das dauert noch. Bisky referiert gerade über den Streit in den eigenen Reihen, hält den VorstandskritikerInnen entgegen: „Kein Mensch in der PDS will eine zweite sozialdemokratische Partei in Deutschland; etwas Überflüssigeres könnte es kaum geben.“ Und „wer die PDS auf dem Weg nach Godesberg sieht, hat auch eine andere Tatsache nicht begriffen: Godesberg, der Parteitag von 1959, markierte den Weg der SPD in die Bonner Republik“. Bisky schlägt dann einen gewagten Bogen zu einer „Berliner Republik“, die sich konstituiert hätte mit dem Wiedereinzug der PDS in den Bundestag, gestützt auf vier Berliner Direktmandate.

Für die Generaldebatte mit anschließender Beschlußfassung sind mehr als sieben Stunden angesetzt. Noch bevor diese beginnt, meldet sich die Arbeitsgemeinschaft der Jungen GenossInnen zu Wort. Mit einem Transparent. Es verkündet auf rotem Stoff: „Opposition: Die Gruppen oder Meinungsträger, die der Regierung entgegentreten.“ Quellenangabe inklusive: „Meyers Lexikon“. Wolfgang Gast

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