: Hellgrünes Steuersystem in Schweden
Der skandinavische Staat läßt sich den Ausstoß von Schwefel teuer bezahlen / Doch beim Kohlendioxid gibt es kaum Erfolge zu melden – die CO2-Steuer blieb bisher zahnlos ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff
Stockholm (taz) – Schwedens neue sozialdemokratische Regierung hat große Ziele. Ministerpräsident Ingvar Carlsson versprach, daß das Steuersystem nach und nach umweltfreundlich reformiert wird. Und er konnte dabei auf die guten Erfahrungen verweisen, die Schweden mit der Besteuerung von Luftschadstoffen gemacht hat. So wurden beim Ausstoß von Schwefel drastische Reduktionsziele formuliert und früher als erwartet erreicht. In Zahlen: 1970 qualmten aus Schornsteinen und Auspuffrohren noch über 100.000 Tonnen Schwefel; im letzten Jahr waren es bereits weniger als 65.000 Tonnen. Wegen dieser Erfolge will Carlsson die schwedischen Ansätze nun auch den neuen EU- Partnern schmackhaft machen.
Zu den Erfolgen haben die 1990 beschlossenen Schwefel- und Kohlendioxidsteuern beigetragen. Schwedische Kraftwerke und Fabriken, die Kohle, Torf oder Öl verheizen, müssen pro Kilogramm Schwefelgehalt 30 Kronen (etwa sechs Mark) an die Staatskasse löhnen. Privatleute müssen bei schwefelhaltigem Heizöl ebenfalls zahlen; nur wer leichtes Heizöl mit weniger als 0,1 Prozent Schwefel kauft, kommt ohne Steuer davon. Deshalb ist mittlerweile praktisch nur noch diese schwefel- und steuerfreie Ware im Handel.
Beim Autoverkehr ist die Bilanz dagegen nicht ganz so positiv. Zwar wurde beim Schwefelausstoß wieder ein intelligentes Reduktionskonzept festgelegt: Automotoren, deren Abgase mehr als 0,2 Prozent Schwefel enthalten, sind verboten. Darüber beginnt die „Schmutzklasse“ – diese Autos werden beim Verkauf zusätzlich mit 2.000 Kronen besteuert. Eine weitere Klasse darüber verzichtet der Staat auf Steuern, und wer Spitzenwerte von 0,0001 Prozent Schwefelausstoß erreicht, bekommt sogar einen Steuernachlaß beim Autokauf. Doch diese Spitzenwerte werden noch von keinem Auto erreicht; einige Fahrzeughersteller haben dies allerdings für die 1995er-Produktion angekündigt.
Fraglich ist allerdings, wie lange Schweden diese Ansätze der Umweltbesteuerung noch beibehalten kann. Bei den Beitrittsverhandlungen zur EU mußte das Land das Schwefel-Rabattsystem für die „erstklassigen“ Pkws bereits opfern. Druck machte hierbei vor allem die deutsche und französische Autolobby. Der Europäische Verband der Automobilhersteller hatte schon bei Einführung des Klassifizierungssystems protestiert und von einer Diskriminierung der – schmutzigen – europäischen Pkws gesprochen. Zwar werden die meisten europäischen Autos bald die Voraussetzungen für die „Klasse 2“ erfüllen, aber noch lange nicht die Spitzenklasse von weniger als 0,0001 Prozent Schwefel erreichen.
In den Beitrittsverhandlungen wurde also festgelegt, daß Schweden das System verändern muß. Der direkte Kaufanreiz für die extrem schwefelarmen Autos muß wegfallen. Statt dessen darf Schweden nur Vorteile bei der laufenden Kfz-Steuer bewilligen. Doch der Anreiz für die Käufer wird dadurch auf etliche Jahre gestreckt – und dürfte von vielen Käufern gar nicht bemerkt werden: Pro Jahr bleiben gerade noch runde 60 Mark Steuerersparnis übrig. Nun will die neue Regierung darauf drängen, daß die fortschrittliche schwedische Regelung von der gesamten EU übernommen wird.
Beim Kohlendioxid fällt die Bilanz weniger günstig aus – was aber daran liegt, daß es für den CO2- Ausstoß keine technischen Lösungen gibt. Denn das klimawirksame Gas entsteht bei jeder Verbrennung von fossilen Energieträgern; politisches Ziel kann also nur sein, den Energieverbrauch zu verringern. Deshalb wurden in Schweden 1991 die Preise für Kraftstoffe erhöht: Dreizehn Pfennig wurde der Liter Sprit teurer durch die CO2-Abgabe – eine eher moderate Steigerung. Und sie änderte auch nichts daran, daß die Zahl der gefahrenen Kilometer in Schweden weiter stieg. Bisher also eine eher kraftlose Steuer.
Neue Vorschläge der Umweltschützer
Die schwedische Umweltschutzbewegung plädiert nun für Maßnahmen, die mehr leisten als nur die Optimierung der Technik. Die Umweltschützer haben gerade der neuen Regierung ein Maßnahmenbündel vorgeschlagen, das das Steuersystem deutlich „grüner“ werden lassen dürfte. Folgt die Regierung Carlsson diesem Vorschlag, dann würden etwa zehn Milliarden Steuermark anders, nämlich zugunsten des Umweltschutzes, verteilt.
Ein Beispiel: Bisher wird ein Hauseigentümer, der sich eine Solaranlage aufs Dach setzt oder eine Wärmepumpe einbaut, steuerrechtlich bestraft: Der Wert seines Hauses steigt, und damit klettert auch die schwedische Grundstückssteuer. Das könnte leicht geändert werden – notwendig wäre eine Belohnung für umweltfreundliche Energie- und Heizungssysteme und eine Belastung der Wohneinheiten, die nach wie vor nur die weitverbreiteten Elektroheizungen haben.
Schwedens Strom bleibt noch zu billig
Eine geringe Belastung der Stromverbraucher brachten zwar die Kohlendioxid- und die Schwefelsteuer. Doch weil noch immer ein Drittel des Stroms aus den – unbesteuerten – Atomkraftwerken kommt, bleibt Strom in Schweden noch immer lächerlich billig. So kostet die Kilowattstunde trotz neuer Steuern ungefähr halbsoviel wie in der Bundesrepublik. Das ist immer noch viel zu niedrig, um zum Stromsparen oder zum Auswechseln des Heizsystems zu animieren. Aktuell hat Schwedens Regierung gerade wieder bewiesen, daß Ökosteuern am ehesten beschlossen werden, wenn Budgetlöcher zu stopfen sind. Das teuere Eintrittsgeld für die EU will Schweden u.a. durch eine Verdoppelung der CO2-Steuer pro Kilo CO2-Ausstoß finanzieren. Was mit 800 Millionen Kronen immerhin ein Zehntel dessen bringt, was Stockholm im kommenden Jahr an jie Brüsseler Haushaltskasse wird zahlen müssen.
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