: Der Rest vom Schützenfest
■ 1.000 Patente der Akademie der Wissenschaften warten auf die Verwertung durch Berliner Unternehmen / Eine Agentur vermarktet die alten DDR-Erfindungen, die noch nicht verscherbelt sind
Eine Erbschaft besonderer Art hat vor kurzem die Berliner Technologie-Vermittlungs-Agentur gemacht. Für rund 1.000 Patente der abgewickelten DDR-Akademie der Wissenschaften hält sie nun die Verwertungsrechte. Die Agentur hatte sich in den vergangenen Monaten intensiv bemüht, die bislang nur in Papierform vorliegenden Erfindungen zu übernehmen, weil sie das darin enthaltene Wissen für Berliner Industrieunternehmen retten will. Auch wenn man am Ende nur 100 bis 150 Patente wirklich nutzen könne, Agentur-Mitarbeiter Eberhard Halder ist sich sicher: „Da steckt was drin.“
Weil Halder gerade erst beginnt, die Unterlagen durchzusehen, vermag er über deren Inhalt noch nichts Genaues zu sagen. Vermutlich bergen sie Ideen und technische Kniffe aus dem gesamten Spektrum der ehemals 40 „patentrelevanten“ Forschungsinstitute der Akademie. Nach der Überprüfung werden Berliner Institute und Firmen gezielt angesprochen, um die Erfindungen in aktuelle Entwicklungsarbeiten oder Produktionsprozesse einzubeziehen. Beim Know-how-Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft hat die Agentur, in deren Vorstand VertreterInnen des Senats und der Industrie sitzen, seit ihrer Gründung 1982 große Erfahrungen gesammelt.
Die Transferstelle steht jedoch unter Zeitdruck. „Wir müssen uns beeilen“, weiß Patentassessor Joachim Jonsch, der die Agentur in Sachen DDR-Erfindungen berät. Denn viele der Patente werden bald erlöschen, weil niemand die obligatorischen Gebühren beim Patentamt bezahlt. Nach einer Mahnfrist beendet das Patentamt den rechtlichen Schutz, und jedes Unternehmen der Welt kann die Erfindung nutzen. Das genau will Eberhard Halder verhindern.
Allerdings steckt die Agentur in der Bredouille. Weder verfügt sie über genug Geld, die Gebühren für sämtliche Schutzrechte zu bezahlen, bis die Überprüfung abgeschlossen ist, noch kann sie ausreichend viele MitarbeiterInnen finanzieren, um diese Arbeit schnell zu erledigen. Vieles wäre leichter, würde Wissenschaftssenator Manfred Erhardt einspringen. Die Technologie-Agentur hatte für die Wissensrettung einen Zuschuß von etwa einer Million Mark beantragt. Doch vom Senator kam ein klares „Nein“, das im Widerspruch steht zu den Bekundungen, den Technologietransfer gerade an kleine und mittlere Unternehmen fördern zu wollen.
Was die Agentur jetzt unter ihre Fittiche nimmt, ist der Rest vom Schützenfest. Von den etwa 5.000 Akademie-Patenten im Hoheitsbereich des Berliner Senats wurde bereits ein Drittel an die früheren ErfinderInnen, neue oder umstrukturierte Institute und Firmen übergeben. Auch westliche Großunternehmen wie Hoechst bedienten sich nach Kräften. Organisierte und durchdachte Angebote an die Wirtschaft habe es in den vergangenen Jahren wegen Personalmangels kaum gegeben, meint ein Mitarbeiter der inzwischen aufgelösten Abwicklungsorganisation KAI; das ist die Organisation, die die DDR-Forschungslandschaft nach der Wende radikal umgestaltet hat. Hannes Koch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen