■ Die Bombe von Algier zerstört die Dialoghoffnungen: Ein Alp liegt über dem Land
Noch hat sich niemand zu dem Bombenanschlag bekannt, der am Montag nachmittag im Herzen der algerischen Hauptstadt mindestens 38 Menschen in den Tod riß. Die Militärregierung macht islamistische „Kriminelle“ verantwortlich, die islamistische Opposition schweigt. Im algerischen Bürgerkrieg sind spektakuläre Anschläge kaum je eindeutig zuzuschreiben gewesen – sowohl bei der Ermordung von Staatschef Mohammed Boudiaf wie auch beim Bombenanschlag auf dem Flughafen von Algier im Sommer 1992 wurden die zunächst in Richtung Islamisten weisenden Spuren im Laufe der Zeit immer unklarer, verstärkte sich der Verdacht einer mafiaartigen Auseinandersetzung innerhalb des Militärs beziehungsweise einer Strategie der Provokation seitens der radikalen éradicateurs innerhalb des Regimes. Auch jetzt haben kompromißlose Kräfte im Staatsapparat ein Interesse an Eskalation. Kompromißlose Kräfte gibt es auch auf der anderen Seite, so in der „Islamischen Armee des Heils“ (AIS).
Es ist ja inzwischen fast egal, wer tatsächlich die Bomben wirft. Ein Anschlag dieser Dimension verfolgt das Ziel, das zarte Pflänzchen des Dialogs zu zertreten, das nach dem algerischen Parteientreffen von Rom Mitte Januar seinen Kopf erhoben hatte. Da mögen Sprecher der verbotenen Wahlsiegerin von 1991 „Islamische Heilsfront“ (FIS) noch so lautstark ihre Dialogbereitschaft beteuern, da mögen Mitglieder der einstigen sozialistischen Nomenklatura noch so demokratisch tönen – es verhallt alles folgenlos. Die Bombe von Algier schafft jetzt auf grausame Weise klare Verhältnisse. Sie soll beweisen, daß kein Akteur in Algerien heute stark genug ist, diejenigen Kräfte aufzuhalten, die im Krieg und nicht in der Politik ihre Chance sehen.
Zurück bleibt ein Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber Menschen, die lieber ihr eigenes Land zerstören, als daß sie ihre Machtträume zur Disposition stellen würden. Die Logik des algerischen Krieges basiert darauf, daß jede Seite dem Gegner das Existenzrecht abspricht, und damit negiert und zerstört sie die Vielfalt der algerischen Nation. Zuletzt war diese Haltung nur noch in Apartheid-Südafrika anzutreffen, und in gewisser Weise ist in Algerien der einstige südafrikanische Bürgerkriegs-Alptraum wahr geworden. Südafrika hat inzwischen den Ausweg gefunden. Doch Algerien hat weder einen Mandela noch einen de Klerk, und so kann der Bürgerkrieg nur weiter eskalieren, bis er seine ganze Scheußlichkeit nicht mehr vor der Welt verbergen kann. Gemessen an den 40.000 Toten der letzten drei Jahre, deren Todesumstände zumeist jenseits jeder Öffentlichkeit liegen, verblassen dann sogar die Opfer von Algier. Dominic Johnson
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