: Ein schwerer Schlag für Birmas Opposition
■ Rebellenstützpunkt gefallen / Birmanische Dissidenten ganz ins Exil getrieben
Bangkok (taz) – 1974 gründeten einige Rebellen des Karen-Volkes ein Lager am Ufer des Flusses Moei, der im östlichen Birma die Grenze zu Thailand bildet. Die neue Siedlung, die den Namen „Manerplaw“ – „Siegesfeld“ – erhielt, war auf allen Seiten von steilen, zerklüfteten Bergen umgeben und schien so gut wie uneinnehmbar. So wurde sie zum Hauptquartier der Karen National Union (KNU), einer der stärksten Rebellenarmeen der verschiedenen ethnischen Minderheiten in Birma, die seit Jahrzehnten gegen die Herrschaft der birmanischen Mehrheit kämpfen.
Heute, 21 Jahre später, bleiben von Manerplaw nur verbrannte Ruinen. Nach einer mehrtägigen Regierungsoffensive setzten die Karen-Rebellen das Lager am 26. Januar in Brand, bevor sie sich in die Berge zurückzogen. Jetzt kontrollieren Regierungstruppen die Gegend. „Wahrscheinlich übersteht die KNU diesen Verlust, doch jetzt kann sie nur noch als geschwächte, mobile Guerilla- Truppe weiterleben“, sagt ein Militärbeobachter in Bangkok.
Bereits vor drei Jahren, Anfang 1992, hatte die Armee Birmas einen massiven Angriff gegen Manerplaw gestartet. Nach dem Fehlschlag ihrer Offensive änderten die Generäle ihre Taktik: Sie erklärten eine einseitige „Waffenruhe“, begannen sich mit dem Gelände besser vertraut zu machen und setzten alles daran, die bewaffneten Kräfte der Karen zu schwächen. Schließlich errichteten sie einen Armeestützpunkt auf dem Sleeping Dog Hill, nur 15 Kilometer westlich von Manerplaw.
Im vergangenen Dezember bot sich der Junta die Gelegenheit, die Front der Karen aufzubrechen. Damals meuterten einige buddhistische Kämpfer gegen die christliche Führung der Karen-Rebellen. Die überwältigende Mehrheit – oder 85 Prozent der vier bis fünf Millionen in Birma lebenden Karen – sind Buddhisten oder Animisten. Die Führer der KNU waren jedoch stets fast ausschließlich Christen. Erst im vergangenen Jahr war dieser lange schwelende Konflikt aufgebrochen.
Vertreter der Karen behaupten, daß die birmesischen Generäle Öl ins Feuer gossen, indem sie die buddhistischen Karen heimlich unterstützten. Ende letzten Jahres ließen sie jener Gruppe, die sich weigerte, die Befehle ihrer christlichen Führer zu befolgen, sogar Waffen zukommen. Die abtrünnigen Kämpfer zeigten den Regierungstruppen die versteckten Zugänge zum Hauptquartier, das in der vergangenen Woche nach kurzen Kämpfen fiel.
Es ist anzunehmen, daß die birmesische Armee Manerplaw jetzt an die abgespaltene Karen-Fraktion übergibt. Diese nennt sich Demokratische buddhistische Karen- Armee. Sie wird wahrscheinlich den gleichen Status erhalten, den die Junta den Rebellenarmeen anderer ethnischer Gruppen zugestanden hat, die mit Rangoon Frieden geschlossen haben. Sie wird die Karen in der Verfassungskonvention in Rangoon vertreten und in anderen offiziellen Gremien.
Der Fall Manerplaws ist nicht nur für die Karen-Rebellen ein schwerer Schlag, sondern für die gesamte Opposition. Denn in dem Lager hatten mehrere Dachorganisationen, in denen bewaffnete Gruppen verschiedener ethnischer Minderheiten ebenso vertreten sind wie auch städtische Aktivisten der Demokratiebewegung, ihr Hauptquartier. Deren politische Leitfigur Aung San Suu Kyi sitzt seit fünfeinhalb Jahren in Rangoon unter Hausarrest. Die meisten stammen aus der birmanischen Bevölkerungsmehrheit und waren nach der brutalen Niederschlagung der demokratischen Proteste 1990 nach Manerplaw geflohen. Jetzt wird aus der birmanischen politischen Opposition eine reine Exilbewegung. Bertil Lintner
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