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Ein Dampfer wird so schnell kein Speedboot

■ Radio Bremen, der kleinste unter den ARD-Sendern, erfreut sich trotz privater Konkurrenz großer Beliebtheit, muß aber von den großen durchgefüttert werden

Als einzige Stadt in Deutschland hat Bremen eine ganze ARD- Anstalt für sich allein. Das führt einerseits zu einer engen Bindung zwischen Radio Bremen und Bevölkerung mit Einschaltquoten von bis zu 50 Prozent für das lokale Vorabendmagazin „Buten und Binnen“. Andererseits aber hängt der kleinste Sender am Tropf des ARD-Finanzausgleichs. Nur 60 Prozent der Ausgaben für die rund 700 MitarbeiterInnen und das Programm werden durch Rundfunkgebühren und Werbeeinnahmen im Land selbst erwirtschaftet. Der Rest – rund 75 Millionen Mark im Jahr – kommt vor allem vom großen WDR. Und dessen Neigung, für das Lieblingsprogramm der BremerInnen zu bezahlen, wird seit Jahren geringer.

Noch fließt das Geld, doch Radio Bremen ist trotzdem schwer angeschlagen. Denn die „Hansawelle“, 1988 mit 43 Prozent HörerInnen im Sendegebiet das meistgehörte Radioprogramm der Region, verliert seit Jahren ZuhörerInnen und kommt heute nur noch auf 24 Prozent. Allein 1993 gingen rund 30 Prozent der Hansawellen- HörerInnen an andere Programme verloren. Inzwischen liegen der NDR und das niedersächsische Privatradio ffn fast gleichauf. Die Folge: Auch die Werbeeinnahmen der Hansawelle sind entsprechend gesunken.

„Radio Bremen bedroht seine eigene Existenz“, folgert Bernd Neumann. Der Bremer CDU- Landesvorsitzende, medienpolitischer Sprecher der CDU im Bund und Radio-Bremen-Rundfunkrat, gehört dennoch zu den eifrigsten Verteidigern des kleinsten ARD-Senders. „Bremens Bürgermeister Wedemeier hat meine volle Unterstützung, wenn die Ministerpräsidenten die Gebührenverteilung innerhalb der ARD neu aushandeln.“ Gleichzeitig aber müsse Radio Bremen alles daransetzen, den HörerInnenverlust zu stoppen. Neumann: „Wenn da nicht schnell Konzepte gefunden werden, kann man die Selbständigkeit vergessen.“

Ratschläge zu einem solchen Rettungsversuch hatte die Radio- Bremen-Chefetage im vergangenen Jahr bei einem der erfolgreichsten Vertreter des Privatfunks, dem ehemaligen Geschäftsführer von Radio Schleswig-Holstein, Hermann Stümpert, bestellt. Doch dessen im vergangenen Sommer vorgelegte Analyse des Radio- Bremen-Hörfunks war so vernichtend, daß sie bis heute vom Intendanten unter Verschluß gehalten wird. „Zu viele Beiträge vermitteln ihren eher langweiligen Charakter zu deutlich. Humor findet sich zu selten“, heißt es darin über die Hansawelle. Fazit des Gutachters: „Radio Bremen ist mit seinen musikbetonten Begleitprogrammen an einem Punkt angekommen, wo die Anstalt nichts mehr zu verlieren hat.“

Das kann auch eine Chance sein. Seit 100 Tagen hat die Hansawelle einen neuen Chef, den Moderator und Talkmaster Christian Berg. „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk heißt nicht: Wir arbeiten weniger, dafür bekommen wir aber mehr Geld“, sagt er. Doch daran, daß sich diese Erkenntnis schnell durchsetzen läßt, glaubt auch er nicht: „Wir sind ein Dampfer und kein Speedboot. Aber ich habe Geduld.“ Dirk Asendorpf, Bremen

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