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Wahre Helden, falsche Fakten

■ Der US-Autor Larry Beinhart über Fernsehen, Golfkrieg und die undurchschaubare Mischung von Fakten und Fiktion

Der Golfkrieg war ein Medienkrieg. Aber war er auch real? Der amerikanische Schriftsteller Larry Beinhart meint: „Nein“. Der 1947 geborene Beinhart beschreibt in seinem Buch „American Hero“ (Kiepenheuer und Witsch) das Kriegs-Szenario als Fiktion, die in den Studiso von Hollywood gedreht wurde. Der Roman ist eine Parodie auf die Macht und auf das Versagen menschlicher Wahrnehmung.

taz Wie haben Sie den Golfkrieg erlebt?

Larry Beinhart:Wie die meisten auch über TV. Mein erster Eindruck war, daß dies ein perfekt orchestrierter Krieg ist. Vielleicht zu perfekt. Wenn man sich die Geschichte der amerikanischen Präsidenten im TV-Zeitalter anschaut, sieht man, daß Fernsehereignisse über das Schicksal der Präsidenten entscheiden. Die Geschichte der amerikanischen TV-Präsidenten zeigt, nur wer mit diesem Medium umgehen kann, überlebt. Der einzige, der bisher wirklich dem Fernsehen standhalten konnte, war bezeichnenderweise der Schauspieler Ronald Reagan. Die anderen wurden gekreuzigt: Johnson, Nixon, Ford, Bush...alle von der Kamera zerstört. Ford, weil er sich den Kopf am Türrahmen stieß, Carter, wegen des Geiseldramas im Iran, und letztlich Bush, weil er den Japanern unter den Tisch gerutscht ist.

Ist „American Hero“ die „wahre“ Geschichte?

Was im Golfkrieg passiert ist, war eine Vermischung von Fiction und Facts. Da ist es naheliegend, in einem Buch über den Golfkrieg die Sache umzukehren und Facts mit Fiction zu vermischen. Es gab ja tatsächlich ein fiktionales Element im Golfkrieg, obwohl er real war. Mein Buch ist nichts anderes, als die Sache von der anderen Seite anzugehen: „American Hero“ ist demnach ein Roman mit realen Elementen.

Für viele Menschen sind Verschwörungstheorien jedoch ein todernstes Thema..

Jaja, deshalb habe ich am Ende des Buches darauf hingewiesen, daß das letzte Kapitel mit meinen Verschwörungsthesen nur für jene Leute gedacht ist, die an sowas Spaß haben. Die anderen, die wie ich während Oliver Stones „JFK“ eingeschlafen sind, können getrost weiterblättern.

Sie sind bei JFK eingeschlafen? Eigentlich geht Stone doch genauso vor wie Sie und vermischt Facts und Fiction?

Stone ging bei JFK fahrlässig mit der Wahrheit um. Die Zuschauer haben seine fiktionalen Elemente deshalb für Realität gehalten. Meine Frau war nach dem Film der festen Überzeugung, in dem Dokumentarfilm, der in JFK montiert wurde, drei Schüsse gehört zu haben: drei Schüsse aus dem Magruda-Film, der einzigen dokumentarischen Aufnahme des Mordes. Nur wurde der Magruda-Film in Super-8 gedreht, Super-8 hatte jedoch 1963 noch keine Tonspur. Oliver Stones drei Schüsse stammen demnach von seinem Tontechniker, nicht vom Original.

Bei „American Hero“ gibt es keine solche Irreführung. Alles, was nicht fiktional ist, wurde auch in den Fußnoten gekennzeichnet.

Wenn das alles nur ein Spiel ist, warum beschäftigen Sie sich dann mit Verschwörungstheorien?

Ich will den Lesern sagen: Hier, denkt darüber nach, was ihr im Fernsehen seht. Ihr müßt selbst herausfinden, was daran wahr ist. Möglicherweise ist die Geschichte genau so passiert wie in „American Hero“. Die Geschichte macht zumindest mehr Sinn als jene Version, die uns George Bush vorgelegt hat.

Was macht Ihre Version vom Golfkrieg wahrscheinlicher als die von George Bush?

Kriege als Mittel zum Gewinnen einer Wahl sind seit jeher ein probates Mittel. Eine neue Biographie von JFK zeigt, daß er den Vietnamkrieg führen mußte, um wiedergewählt zu werden. Was für JFK gut genug war, kann für George Bush kaum falsch sein.

Warum sind Verschwörungstheorien in den USA so populär?

Aus demselben Grund, aus dem Religionen populär sind: Sie stiften Bedeutung. Ohne eine Verschwörungstheorie sieht der Mord an JFK aus wie eine sinnlose Tat. Irgendein verrückter Typ geht los und erschießt unseren geliebten Präsidenten. Wenn sogar ein Mord an unserem Präsidenten aber unkontrollierbar und sinnlos ist, werden auch wir bedeutungslos, unsere Geschichte wird zu einem Produkt des Zufalls.

Ist der Titel „American Hero“ ironisch?

Nur was den Protagonisten angeht. Ansonsten habe ich kein Problem damit, mich als Patriot zu sehen, für mein Team zu sein. Leute sehen nicht gerne Leichen, Soldaten, die für einen Medienkrieg sterben mußten, sehen sie erst recht nicht gerne. An der Medienberichterstattung ist schließlich auch der Vietnamkrieg gescheitert.

Ist das auch eine Verschwörungstheorie?

Nein, das ist offizielle amerikanische Doktrin.

Also offizielle Verschwörungstherie?

Nein, nicht Verschwörung. Die Medien wollten ja nicht, daß Amerika den Krieg verliert. Sie haben nur ihren Job gemacht, wollten ehrliche Berichterstattung. Das Pentagon hat dabei unterschätzt, wie grausam die Bilder werden und daß die Bevölkerung diese Bilder nicht sehen will.

Fragen: Dorothea Sundergeld, Volker Marquardt

Larry Beinhart liest : Morgen, Sa. 4.2. 23 Uhr in der Kleinen Schauburg, Vor dem Steintor 114

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