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„Arbeit, Brot und Freiheit“

Massive Warnstreiks im Bundesgebiet / Die Arbeitgeber zeigen sich in der aktuellen Metalltarifrunde bislang aber nicht beeindruckt / IG-Metall: „Schluß mit dem Geschacher“  ■ Aus Düsseldorf Walter Jacobs

Warnstreiks allüberall: 20.000 bei Mercedes-Benz in Sindelfingen, 5.500 bei Mercedes-Bremen, 12.000 „Fordianer“ in Köln. Die IG Metall legte gestern ein paar Schüppen drauf im aktuellen Tarifkonflikt. Die Gewerkschaftsforderung nach sechs Prozent trifft auf Zustimmung, denn nach der faktischen Nullrunde des vergangenen Jahres wollen die Leute nun mehr Geld sehen. „Arbeit, Brot und Freiheit“, forderte ein Porsche-Arbeiter auf einem Plakat. Freiheit auch deshalb, weil sich viele Arbeitnehmer wegen des zurückliegenden Personalabbaus zunehmend gehetzt und „an die Kandare genommen“ fühlen.

Bei den Arbeitgebern zeigen die massiven Warnstreiks bisher keinerlei Wirkung. Sie legten auch gestern kein Angebot vor. Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Dieter Kirchner, begründete das so: „Wir machen jetzt kein Angebot, weil wir nicht über Lohnerhöhung, sondern über Kostenentlastung und Beschäftigungssicherung verhandeln wollen.“

Für „maßvolle Lohnerhöhungen“, so Niedersachsens Verhandlungsführer Peter Eiberger, sehen zwar auch die Arbeitgeber Spielraum, aber sie verlangen von der IG Metall Zugeständnisse auf dem Gebiet der Arbeitszeit-Flexibilisierung und eine Herabstufung der Einstiegslöhne.

Letzteres will die IG Metall nach den Worten ihres stellvertretenden Vorsitzenen Walter Riester auf keinen Fall mitmachen. Riester gestern: „Wir werden keine Einstiegslöhne machen, das kann ich verbindlich sagen.“ Auch für die schon 1990 in einem sogenannten Stufenplan vereinbarte weitere Arbeitszeitverkürzung um eine Stunde auf dann 35 Stunden pro Woche zum 1. Oktober dieses Jahres möchten die Arbeitgeber einen Ausgleich. Eine Forderung, die den Beschäftigten besonders sauer aufstößt, denn für den Stufenplan haben sie seinerzeit durch die Akzeptanz längerer Tarifvertragslaufzeiten und Flexibilisierungszugeständnisse schon einmal bezahlt. Als Harald Schartau, IGM-Bezirksleiter in NRW, gestern vor den Ford-Beschäftigten in Köln die Arbeitgeber ultimativ aufforderte, mit „dem neuerlichen Geschacher um die 35-Stunden- Woche Schluß zu machen“, konnte er sich des Beifalls sicher sein.

Ein Blick in die Statistik belegt den Nachholbedarf der Arbeitnehmer. Während die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen im letzten Jahre um brutto 13 Prozent stiegen, wuchs die gesamtgesellschaftliche Lohn- und Gehaltssumme brutto um 0,5 Prozent. Massive weitere Gewinnsteigerungen prophezeien Banken und wissenschaftliche Institute auch in diesem Jahr.

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