: Kalte Schulter für die „kalte Rotte“
■ Berlin setzt weiter auf Müllverbrennung und lehnt Brandenburger Angebote ab
„Was tun mit den jährlich 2,4 Millionen Tonnen Hausmüll?“ lautet eine der Zukunftsfragen Berlins. Während die Landesregierung in Brandenburg mit der „Kalten Rotte“ eine Alternative zur Müllverbrennung sucht, setzt der Senat weiterhin auf Verbrennung. Er sei skeptisch, ob die „kalte Rotte“ funktioniert und den Anforderungen der Bundesregierung in der Technischen Anleitung für Siedlungsabfälle entspreche, meint Umweltstaatssekretär Lutz Wicke (CDU).
Das Angebot aus Brandenburg, Berliner Müll in Brandenburger Anlagen kalt zu behandeln, könne erst ernsthaft geprüft werden, wenn die Brandenburger Ergebnisse vorlägen. Derweil wird die Müllverbrennungsanlage Ruhleben ausgebaut und auch die Bewag sowie die private Entsorgungsfirma Alba planen weitere Verbrennungsanlagen.
In der Gradestraße in Neukölln will Alba eine Thermoselectanlage mit 150.000 Jahrestonnen Kapazität bauen. Bisher gibt es nur eine Pilotanlage in Norditalien, in der dieses Verfahren getestet wird. Dabei wird der Müll verpreßt und entgast und dann unter Zugabe von Sauerstoff bei Temperaturen um 2.000 Grad Celsius „verschmolzen“. Gleichzeitig prüft die BSR für diesen Standort weitere „innovative Verbrennungsverfahren“, so BSR-Sprecherin Sabine Thümler.
Eine konventionelle Müllverbrennungsanlage für 360.000 Jahrestonnen möchte die Bewag im Blockdammweg in Lichtenberg bauen. Das unternehmerische Risiko will die Bewag gering halten. „Wir verhandeln zur Zeit mit dem Senat über Rahmenbedingungen wie vertraglich festgelegte Müllmengen und den Preis pro Tonne“, sagt Sprecher Reinhard Heitzmann.
„Keine Müllverbrennung in Berlin“ fordert hingegen das Müll- Initiativ-Forum (Mief), in dem sich die Bürgerinitiativen „Britzer Umweltforum“, „Umweltforum Karlshorst“, „Berliner Luft“ und „Nordosttraum e.V.“ zusammengeschlossen haben. Der Senat habe eine Grundsatzentscheidung für die Müllverbrennung getroffen, ohne ein konsequentes Müllvermeidungskonzept aufzustellen und ohne das Brandenburger Angebot ernsthaft zu prüfen, kritisiert Thomas Kreutzer, Sprecher von Mief. „Der Senat will nur seine Verbrennungspläne durchsetzen“, vermutet Kreutzer.
Immerhin hat sich der Senat vorgenommen, bis zum Jahr 2005 den Hausmüllberg von 2,4 Millionen Tonnen durch verstärkte Recycling-Maßnahmen, die Kompostierung von biologischen Abfällen und auch durch Müllvermeidung zu halbieren. Abzüglich der Verbrennungskapazitäten der bis dahin fertiggestellten drei Anlagen in Ruhleben, in der Gradestraße und am Blockdammweg bleibt ein Rest von nahezu 400.000 Tonnen Hausmüll.
Dafür würde eine „Option für die kalte Rotte offengehalten werden“, verspricht Wolfgang Bergfelder von der Senatsumweltverwaltung. Deswegen sei der geplante Bau einer Müllverbrennungsanlage mit 180.000 Jahrestonnen Kapazität zunächst zurückgestellt worden, die Teil eines riesigen „Umwelt-Recycling-Zentrums“ (URZ) in Pankow-Lindenhof werden sollte. Doch gestorben ist der Müllofen noch lange nicht: „Wir haben die Realisierung in der Stufung nach hinten geschoben“, erklärt Bergfelder.
Dies hat auch Auswirkungen auf die weitere Planung des „Umwelt-Recycling-Zentrums“. „Das URZ wird zunächst in einer abgemagerten Form entstehen“, sagt Wolfgang Bergfelder von der Senatsumweltverwaltung. Ohne die Müllverbrennungsanlage würden „Synergie-Effekte“ mit anderen Anlagen wegfallen, etwa der Verbrennungsnachschub aus den Sortieranlagen.
Im Genehmigungsverfahren sind so bisher nur eine Kompostieranlage der BSR mit 50.000 Jahrestonnen Durchsatz und ein Bauschutt-Recycling-Zentrum der Senatsbauverwaltung. Zur Zeit liefen noch Gespräche mit Firmen über eine Elektronikschrottverwertung. Denkbar sei auch eine Kunststoffaufbereitung, so Bergfelder. Ursprünglich waren für den Standort noch zusätzlich eine Autodemontageanlage und eine Haus- und Gewerbemüllsortierung geplant. Uta Jacobs
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