: Arbeiter! Die SPD will euch RTL und Sat.1 wegnehmen
■ Scharping diskutierte in Staecks "Ideenwerkstatt" die Medienpolitik der SPD
„Wie kommt's eigentlich, daß trotz bester Absichten immer alles zu unseren Ungunsten läuft?“ fragte Oskar Negt, Altmeister der linken Öffentlichkeitstheorie, und gab gleich selbst die Antwort: „Eine Vorstellung von künftiger Medienpolitik hat die SPD nicht.“ Tatsächlich, auch die Veranstaltung, zu der der unermüdliche SPD-Wahlkämpfer Klaus Staeck am Donnerstag abend nach Köln eingeladen hatte, förderte anschließend kein anderes Ergebnis zutage.
Statt gemeinsame Vorstellungen über die entstehende „Echoöffentlichkeit“ (Negt) und Gegenstrategien vorzutragen, zeigte man sich erst mal erleichert über Kohl- Stoiber-Biedenkopfs Steilvorlage. „Worüber hätten wir eigentlich sonst geredet?“ Für Scharpings Medien-Intimus Karl-Heinz Klär waren jetzt wenigstens „die Fronten wieder klar“, er durfte gleich wahlkampfmäßig lästern über die „magere Sau, die da durchs Dorf getrieben wird“.
Doch das war dem Parteichef noch nicht kämpferisch genug. Ihm klang das so, „als sei schon alles in Butter“. Und zum Kampf gehört schließlich eine gewisse Spannung. Mit etwas Selbstkritik fing er an. Man habe doch „fleißig mitgebetet“, als ein „öffentlich-rechtliches Monopol denunziert wurde“. Auch von einer „Standortpolitik im eigenen Laden“ setzte er sich ab, die nach dem Motto laufe: „Alle Welt produziert Mist, also produzieren wir auch Mist.“ Dann kam der Gegenschlag – gegen das „grandiose Ablenkungsmanöver“ des Kanzlers, der nicht zufällig im gleichen Monat, in dem er die Abgabenlast erhöhe, die Bürger vor einer Erhöhung der Rundfunkgebühren schützen wolle. Gegen die CSU, die doch ihren eigenen „Lederhosen-Luis-Trenker-Kanal“ machen solle.
Und gegen die Konzentration bei den Privatsendern: „Auch bei Bertelsmann ist mir manches in der Machtzusammenballung zu groß – aber immer noch lieber als Kirch. Der will nicht Bundeskanzler werden, es ist doch für ihn viel komfortabler, wenn er sich einen halten kann.“
Schwieriger wurde es für Scharping, als es um praktische Vorschläge ging. Einen Gegenangriff gegen die Konzentration empfahl er auch den Öffentlich-Rechtlichen – und eine eigene Programmzeitschrift, um dem Medienverbund Kirch-Springer Konkurrenz zu machen.
Zu den wegweisenden Zukunftsfragen des Fernsehens fiel ihm vor allem ein, „Massenwirksamkeit mit Aufklärung zu verbinden“, und die Frage, wie man das Medienverhalten der 12- bis 16jährigen beeinflussen könne, sei auch sehr spannend. Wo er sich Konkreteres zutraute, wurde es dann schon wieder heikel. Mit der Bemerkung, „ein gemeinsamer Sender aus Süddeutschem und Hessischem Rundfunk sowie dem Südwestfunk“ sei „langfristig eine sinnvolle Entwicklungsperspektive“, provozierte er den erschrockenen Zwischenruf, das sei aber unklug, so mitten im hessischen Wahlkampf.
Der Saarländische Rundfunk, der auf milde Gaben der großen Sender aus dem ARD-Finanzausgleich besonders angewiesen ist, fand bei Scharping allerdings keine Erwähnung als Fusionsobjekt. Kein Wunder: Saß doch Reinhard Klimmt, der SPD-Fraktionsvorsitzende im dortigen Landtag, gleich nebendran am Tisch – und warf aus dem Glashaus dennoch mit kleinen Steinen auf die ARD-Sender, die für 1997 Gebührenerhöhung fordern. Der Programmauftrag könne, sagte Klimmt, „auch erfüllt werden, wenn die Gebühren nicht zum vorgesehenen Zeitpunkt erhöht werden“.
Anderen war das offensichtlich zu viel Kurzpaßspiel und Gedribbel. Vor allem der Bundestagsabgeordnete Freimut Duve drängte auf eine „härtere Debatte“ über die TV-Privatisierungspolitik der Union. Richtig aufregen konnte er sich, daß RTL-Chef Helmut Thoma als Gast der SPD-Medienkommission zu einer Debatte über Gewalt im Fernsehen geladen war, „ohne daß wir noch was sagen konnten“. Ausgerechnet der Thoma, der doch Alexander Kluge mit seinen Kulturprogrammen auf RTL einen „Parasiten“ genannt hatte. Und als dann noch der Medienjournalist Uwe Kammann warnte, eine reformunfähige ARD würde irgendwann mit zehn Prozent Einschaltquote „in Schönheit sterben“, konterte Freimut Duve: „Eine Frechheit, so mit einem Kulturpublikum umzugehen. Da werden 500.000 Zuschauer zu null erklärt.“
Da hätte es eigentlich richtig losgehen können, mit Klaus Staecks vierter Veranstaltung „Aktion für Demokratie“. Dann war der Abend aber um, und als nächstens wird sich Duve wohl in der Medienkommission der SPD mit denen streiten müssen, die wie Reinhard Klimmt „die ökonomische Frage nicht ausblenden“. Die These „Arbeitsplätze hier statt Fernsehimport via Satellit“ gegen Duves „Kulturbegriff von Öffentlichkeit“. Michael Rediske
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