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Halbherziges Öko-Musterland

Dänemark will sein Ökosteuer-System ausbauen / Kraftwerke bekommen zurück, was sie an Kohlendioxid-Steuer zahlen müssen  ■ Aus Kopenhagen Reinhard Wolff

Nicht umsonst ist das neu gestartete Umweltinstitut der Europäischen Union in Kopenhagen plaziert worden: Dänemark gilt in der EU als Vorreiter, was Ökosteuern angeht. Kein Wunder, daß nicht zuletzt mit diesem Argument in den EU-Volksabstimmungskampagnen in Finnland, Schweden und Norwegen den skeptischen UmweltschützerInnen ein Ja gerade wegen der deshalb winkenden „grünen Front“ empfohlen wurde. Nicht nur die Abstimmungszahlen im vier Jahre alten Brüsseler Streit um eine Kohlendioxidsteuer würden sich von 11:1 auf 15:1 gegen die Bremserfraktion aus Großbritannien auftürmen. Auch bekäme London weitere Beispiele für ein – wenn auch erst in den Kinderschuhen steckendes – System von Ökosteuern vorgehalten. Ein System, das noch dazu von konservativen Regierungen eingeführt wurde und eindeutig nicht zum befürchteten Kollaps der Volkswirtschaft geführt hat, sondern zu einem heilsamen Modernisierungsschub.

Dänemark, das sich zur Elektrizitätserzeugung auf Wasserkraft mangels Ressourcen nicht stützen kann und Atomkraft nicht will, kann das Ziel einer massiven Reduktion der Schwefel- und Kohlendioxidproduktion nur erreichen, wenn es bei den Stromerzeugern ansetzt, also den kohle-, erdgas- und ölverfeuernden Kraftwerken. Im Zuge des „Energieplans 2000“, mit dem Dänemark seine Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2005 um mindestens 20 Prozent verringern will, wurde das Elektrizitätsversorgungsgesetz aus dem Jahre 1976 letztes Jahr novelliert. Es verpflichtet die Stromversorger zu integrierter Ressourcenplanung, bei der der Kraftwerksneubau gegen das Ziel, Energie zu sparen, abgewogen werden muß.

Doch ausgerechnet beim Energiesparen hapert es in dem Musterland, dessen Verbraucher im europäischen Vergleich die meisten Stromsparbirnen besitzen. Schon jetzt hinkt Dänemark um fünf Prozent hinter dem Ziel seines Energieplans 2000 her. In einem kürzlich veröffentlichten Rapport wirft die Internationale Energieagentur, IEA, der dänischen Regierung geradezu ein Doppelspiel vor: Was mit stolz geschwellter Umweltbrust mit der einen Hand an Ökosteuern eingestrichen werde, gehe hinter den Kulissen mit der anderen Hand als Subvention und über Steuererleichterungen wieder an die Industrie zurück. Zwar habe Dänemark seit den 70er Jahren „bemerkenswerte Fortschritte gemacht und lokale wie globale Umwelteffekte berücksichtigt“. Doch das steuerliche Doppelspiel sei „pervers“, weil es weder zum Energiesparen reize noch zu Investitionen in effektivere Technik.

Poul Nyrup Rasmussen, Dänemarks neu-alter Ministerpräsident, hatte sich bei seiner Regierungserklärung Anfang Oktober durchaus grün gegeben und Konsequenzen aus der IEA-Kritik gezogen. Mit neuen und verschärften Ökoabgaben und -steuern wolle er gegen die noch immer zu wenig geminderte Wasserbelastung und Bodenverseuchung durch Landwirtschaft und Industrie vorgehen, versprach er im Wahlkampf. Es sollten neue Abgaben auf Düngemittel und Pestizide eingeführt werden sowie auf alle Umweltgifte, die in der Industrie durch weniger giftige Stoffe ersetzt werden können.

Die vorhandene CO2-Steuer wolle man bis zum Jahr 2000 von jetzt 35 Kronen auf 200 Kronen (circa 50 Mark) pro Tonne versechsfachen. Damit, so Nyrup Rasmussen, hoffe man, bis knapp nach der Jahrtausendwende das CO2- Reduzierungsziel zu erreichen. Gleichzeitig soll nach schwedischem Vorbild eine Schwefelsteuer eingeführt werden, um für diesen Luftschadstoff einen Rückgang von 80 Prozent zu erreichen.

Die dänische Industrie sprach von einer „Giftspritze“ für den wirtschaftlichen Aufschwung und von einer „Kriegserklärung“ der neuen Regierung, die damit massiv Arbeitsplätze gefährde. Für immer mehr Branchen könne es sich lohnen, nach Osteuropa abzuwandern. Zehntausende von Arbeitsplätzen würden aus Dänemark verschwinden, und global gesehen würde sich nichts ändern.

Zumindest, was die Vergangenheit angeht, kann die Regierung darauf hinweisen, daß die bisherige CO2-Steuer nicht zum Abbau eines einzigen Arbeitsplatzes geführt hat. Trotz aller Halbherzigkeit des grünen Steuersystems: Die Wirtschaft des Landes hat durchaus begonnen, neue Produktionsmethoden, Filteranlagen und moderne Techniken zu entwickeln, mit denen sie im Exportgeschäft mittlerweile gutes Geld verdient. Und die Innovationen haben sich als lohnender herausgestellt als eine Produktionsverlagerung in ein politisch unsicheres Billigland.

Um so erstaunlicher ist, daß sich Dänemarks Regierung trotzdem zunächst in ihrem grünen Eifer stoppen ließ. Im Haushaltsplan 1995 sucht man die angekündigte Verschärfung des Ökosteuersystems vergeblich. Die grün-angehauchte Sozialistische Volkspartei, als Mehrheitsbeschafferin der sozialdemokratischen Minderheitsregierung unumgänglich, kündigte bereits eine Überprüfung ihrer grundsätzlichen Haltung zur Regierung an, falls Nyrup Rasmussen nicht deutlich grüne Zeichen setze.

Derweil ist der Direktor des EU-Umweltinstituts, Domingo Jiminez-Beltran, damit beschäftigt, die einzelnen EU-Länder immer dann zu kritisieren, wenn sie wirksame nationale Maßnahmen gegen das Klimagift unter Hinweis auf fehlende EU-Richtlinien nicht in Angriff nehmen. Aufgrund seiner Erfahrungen stellt Jiminez-Beltran die Wirksamkeit von Kohlendioxid-Abgaben grundsätzlich in Frage: „Abgaben haben den Nachteil, daß sie mit dem Verursacherprinzip brechen: Der Verbraucher muß zahlen, kann aber meistens gar nicht wählen.“ Und Dänemark „produziert selbst Dreck und bekommt ihn aus dem Ausland. Und wenn Umweltschützer Alarm schlagen, wird zur Ausrede nach Brüssel gedeutet. Als richtige Adresse muß sich jedes einzelne Land selbst sehen.“

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