Dokumentation: Sind Vegans rechts?
■ Ein Flugblatt gegen die „Lebensschützer mit Tarnkappen“: Frontline-Vegans verhindern Aufbau einer linken revolutionären Bewegung
Sylvester 94/95 sind viele Scheiben bei kleinen, unbedeutenden Geschäften eingeworfen worden – besonders absurd und nicht zu rechtfertigen sind die diversen „Angriffe“ auf Fleischereien. Für diese „Angriffe“ ist ein Teil der veganen Bewegung verantwortlich. Gruppen wie u.a. Frontline sind es, die unseren Zorn auf sich ziehen. Ihre Politik macht kaputt, was Linke in vielen Jahren mühevoll versucht haben aufzubauen, und behindert einen Aufbauprozess der linken revolutionären Bewegung. (...)
Die Verantwortlichen von Frontline und Co. vertreten eine Ideologie, die im Kern reaktionär, pro-faschistisch und pro-rassistisch ist. Wir ärgern uns im Nachhinein, diesem Treiben keinen Einhalt geboten zu haben; wir werden mit ihnen nicht mehr zusammenarbeiten können. Der Tragweite dieser Äußerung sind wir uns sehr bewußt!
Die ideologischen Grundlagen der „Angriffe“ auf die Fleischereien liefert zum Beispiel der Euthanasie-Befürworter Peter Singer, der in seiner „Praktischen Ethik die Relativierung des mensch- lichen Lebens propagiert und ein „Recht auf Tötung“ für „leidende Menschen“ fordert. Die als „schwerstbehindert“ geltenden Menschen sind für Singer der verhaltensbiologisch-neodarwinistisch untermauerte „Beweis“, daß die Grenze zu den Tieren hin aufgelöst werden muß; ein einzelner Schimpanse könne nämlich weit mehr, als ein „schwerbehindertes“ Kind. Oberstes Interesse von Mensch und Tier sei die Vermeidung von Schmerzen, so daß mit derselben „Ethik“, die „Befreiung der Tiere“ und die „Erlösung vom Leiden“ für „Schwerstbehinderte“ gefordert werden kann. (...)
Auch viele Äußerungen in den Theorieblättchen dieser Aktivistinnen weisen eine enthüllende Ähnlichkeit mit ökofaschistischen Aussprüchen auf. So sei die Menschheit zu einer Plage für die Erde geworden und müsse in ihre Schranken verwiesen werden, da sie das natürliche Gleichgewicht des Ökosystems in Gefahr bringe. Auch H. Gruhl (ideo logischer Vater der ÖDP) verlangt vom Menschen eine vollständige Unterordnung unter „die ehernen Gesetze“ der Natur. Das Überleben der menschlichen Art ist sein Anliegen, nicht das aller Menschen. Wie der Weg zurück, zu einer „natürli- chen Lebensweise“, wie ihn diese Aktivistinnen fordern, konkret aussehen soll, zeigt ein Satz Gruhls: „Die einzige Währung aber, die hier gilt und in der Verstöße gegen die Naturgesetze beglichen werden können, ist der Tod. Der Tod bringt den Ausgleich, er schneidet alles Leben wieder zurück, damit der Planet wieder ins Gleichgewicht kommt.“ (...)
Die fundamentalistisch, religiös auftretende Ideologie, die in der Wiederherstellung der natürlichen Lebensverhältnisse, was immer das sein mag, einen Dienst an der heiligen Schöpfung sieht, hat auch fur Frauen eine antiemanzipatorische Konsequenz. Oder wie ließe sich die Aussage, geäußert zur Frage der Abtreibung, daß der Schutz des Lebens notfalls auch erzwungen werden müsse, sonst verstehen?
Diese „Gesellschaftsanalyse“ kann nicht im Rahmen eines linken Verständnisses akzeptiert werden. In Praxis und in der Theorie, sind sie kein Teil einer sich als links verstehenden politischen Bewegung. Denn als Ursache allen Übels die Entfremdung von der Natur zu nennen, zu der „uns“ die Zivilisation gebracht hätte, muß schon ein gehöriges Maß an Unverständnis über die wirklichen Bedingungen in sich tragen. Folge ist dann, daß alle Fleischesserinnen nun zur Ausbeuterinnenklasse gehören und bekämpft werden müssen. (...)
Antifaschistisches Komitee,
St. Pauli-Str.10-12 (vgl. zu dem Thema u.a. das Interview mit zwei Vagans, taz 23.1.1995)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen