: Intimes Grün bald perdü?
■ Zukunft der Wallanlagen: Beirat Mitte gegen „eine bis fünf“ Fußgängerbrücken
Geben Sie's ruhig zu: Manchmal ist es zwar ein bißchen lästig, daß man nur an wenigen Stellen über den Wallgraben kommt, aber der kleine Umweg erquickt sie doch jedesmal geradezu! Woran liegt's? Nicht nur am Grünzeug, sagen die DenkmalschützerInnen, nein, vor allem an den raffinierten „Sichtachsen“ – über's Wasser, über Lichtungen, von Bastionhügel zu Bastionhügel. Der flußähnlich gewundene Wallgraben erzeugt außerdem die Illusion, daß es hinter jeder Biegung endlos grün weiter gehe. Ein Park in bester Innenstadtlage – das verdanken die BremerInnen dem Kaufmannsparlament von 1802, das als erstes deutsches Parlament einen öffentlichen Park beschloß. Und zwar einen Park im naturimitierenden englischen Stil, nicht geometrisch mit schnurgeraden Alleen.
Doch die BremerInnen haben heute andere Bedürfnisse als anno dunnemal – sagt jedenfalls der Wirtschaftssenator: Er möchte auf Höhe der Mühle eine Fußgängerbrücke über den Wallgraben schlagen. FußgängerInnen aus Richtung Bahnhof und Parkhaus Hillmannplatz könnten so schnurstracks in die City eilen, ohne vom Verkehr belästigt zu werden. Bislang nämlich gibt's nur eine Einflugschneise: über den vielbefahrenen Herdentorsteinweg.
Mit solch einer Brücke hofft der Wirtschaftssenator, gleich zwei Fliegen zu schlagen: Erstens bekäme das Café, das statt der Fahrschule die Wallmühle beziehen soll, seine BesucherInnen vor die Tür geliefert. Zweitens würden nicht alle FußgängerInnen aus Richtung Bahnhof automatisch bei den Schweinen in der Sögestraße landen, sondern würden an der Mühle vorbei durch die Securitas–Passage am Wall in die Knochenhauerstraße gelenkt und weiter in die westliche City. Dort wäre man froh über mehr Kundschaft.
Der Wirtschaftssenator könnte sich übrigens noch mehr Brücken vorstellen: eine am Finanzamt (Rudolf-Hilferding-Platz) – zum Beispiel für die AutofahrerInnen, die in den dortigen Parkhäusern ihre Autos stehen lassen. Dann vielleicht noch eine am Rosenplatz, um das Wandrahmviertel besser an die City anzubinden, und eine an der Meinkenstraße, damit das Ostertorviertel nicht so verloren in der Gegend rumsteht.
Solche Begehrlichkeiten rufen die DenkmalschützerInnen auf den Plan. Am Montag legten sie dem Beirat Mitte ihre Bedenken dar: Eine Brücke auf Höhe der Mühle würde den weiten Blick vom Herdentor her verstellen, das Raumerlebnis also verunmöglichen, sagte Rolf Kirsch vom Landesamt für Denkmalpflege. Wo doch durch die hohen Häuser am Wall die Weitsicht ohnehin schon beschnitten ist.
Außerdem erzeuge gerade die jetzige Abgeschiedenheit die heilsame Wirkung der Wallanlagen: Herrschte überall Rad- und Fußgängerverkehr wie an der Bischofsnadel, wär's mit dem intimen Grün schnell vorbei. Und Ortsamtsleiter Robert Bücking ergänzt: Eine Stadt sei doch umso aufregender, je mehr sie über Räume mit unterschiedlichem Licht und unterschiedlicher Zeit verfüge. Das bißchen Umweg werde doch wettgemacht!
Doch der Beirat Mitte begeisterte sich am Montagabend zunächst für eine Brücke: „Jetzt sind die Wallanlagen doch ein Grüngürtel ohne Menschen“, fand Werner Steinberg (CDU), im Bürgerpark sei viel mehr los. Und Ralf Mulde (FDP) empfindet den Mühlenberg, so bar jeder Brücke, als uneinnehmbare „Trutzburg“. Anne Albers von der SPD geht ausdrücklich gern über Brücken, jedenfalls lieber als über die Kreuzung am Herdentorsteinweg.
Alle also für eine Brücke? Da griff Ortsamtleiter Robert Bücking ein: „Die Wallanlagen sind ein Gedächtnis der Stadt!“ Die BremerInnen hätten sich 200 Jahre lang beherrscht und alle möglichen Ansinnen (Brücken, Fahrwege, Volkspark mit Halligalli) zurückgewiesen! Hamburg zum Beispiel hat den Hauptbahnhof mitten in seine Anlagen gebaut, es gibt nur noch das Rumpfstück „Planten un Blomen“. Bremens Wallanlagen gehören dagegen zu den besterhaltenen in Deutschland. Schlimm genug, daß die BremerInnen nach dem Krieg die Schneisen Herdentorsteinweg, Bürgermeister-Smidt-Straße und Daniel-von-Büren-Straße durch die Wallanlagen geschlagen haben, finden Bücking und die DenkmalschützerInnen.
Also keine Brücke, rang sich auch Klaus Auf dem Garten (SPD) durch. Dennoch müßten die Wallanlagen besser vermarktet werden. Genau das sieht „Stadtgrün Bremen“ (Ex-Gartenbauamt) in seinem „Parkpflegewerk“ vor: eine Broschüre über die Wallanlagen für TouristInnen. Außerdem will man Schmuddelecken aufräumen, Treppchen, wie einst, zum Wasser hinunter bauen, alte Sichtbeziehungen wiederherstellen – durch die Ausdünnung der Büsche am Wall zum Beispiel. Alles dient der Attraktivierung der Wallanlagen – aber entlang der Tradition.
Das überzeugte den Beirat endlich: Mit 5:3 entschied er sich gegen eine Brücke. Aber alle anderen „Attraktivierungen“ sollen endlich in Angriff genommen werden: Verbesserungen für die FußgängerInnen, zum Beispiel an der Bischofsnadel, schnellstens ein historisches Café in die Wallmühle, kulturelle Nutzung ins Ansgaritor-Wallhäuschen an der „AOK-Kreuzung“ – noch lagert dort das Gartenbauamt Gerätschaften. Und einstimmig: mehr Blumenbeete, Bänke und Fahrradständer. cis
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