: Von Frauen für Frauen
■ 4. Charlottenburger Frauenfrühling: Drei Wochen Programm zum Internationalen Frauentag / Über die Mobilität des Weibes und vergessene Größen
„Langsam wird unser Rathaus zu klein“, befand gestern die Charlottenburger Bürgermeisterin Monika Wissel (SPD). Sie wollte damit aber keineswegs einen neuen Hochhausbau ankündigen, sondern den Auftakt zum Charlottenburger Frauenfrühling. Wie in den Vorjahren werden sich am 6.3., dem ersten Sonntag im März, insgesamt 46 Institutionen und Initiativen an ihren Ständen im Rathaus vorstellen – vom Fortbildungswerk des DGB bis zu terre des hommes. „Eine einmalige Messe für Frauen“, schwärmte die Charlottenburger Frauenbeauftragte Brigitte Kippe (CDU).
Außerdem werden 13 Workshops veranstaltet. Manche, wie die „Übung eines Einstellungstests“, speziell für Schülerinnen. Mit diesem „Aktionstag“ soll der Charlottenburger Frauenfrühling ein dreiwöchiges politisches und kulturelles Programm rund um den Internationalen Frauentag einläuten. Den 8. März selbst wollten die Initiatorinnen so gut wie veranstaltungsfrei halten – zu viele Menschen in zu vielen Institutionen möchten am Tag des Weibes mit feierlichen Veranstaltungen demonstrieren, wie fortschrittlich sie sind.
Dafür werden im Frauenfrühling Akzente an anderen Terminen gesetzt. Zum Beispiel mit der Eröffnung der Ausstellung „Mobilität der Frauen in Charlottenburg“ am 15. März im Rathaus. In einem Pilotprojekt untersuchten drei Wissenschaftlerinnen, wie sich das weibliche Geschlecht vor hundert Jahren bewegte und welche Strecken zwischen Küche, Kita und Kaufhaus es heute entlanghetzt. Dafür wurden Hunderte von Fragebögen an Einwohnerinnen verteilt, doch die Ergebnisse wollte die Frauenbeauftragte noch nicht verraten. Nur eines: „Hier muß eine Menge passieren“, vor allem in puncto Sicherheit.
Eine weitere Ausstellung, diesmal im Heimatmuseum, würdigt ab 11. März vier herausragende und dennoch wenig bekannte Charlottenburgerinnen: die sozial engagierte Fabrikantengattin Hedwig Heyl (1850–1934), die Kämpferin für das Frauenstimmrecht, Adele Schreiber-Krieger (1872–1957), die Künstlerin Jeanne Mammen (1890–1976) und die „Nesthäkchen“-Autorin Else Ury (1877–1943).
Jeanne Mammen, die in den zwanziger Jahren gesellschaftskritisch-satirische Zeichnungen aufs Papier brachte, war so etwas wie ein weiblicher George Grosz. Wohl nur aufgrund ihres Geschlechts ist sie heute fast vergessen. Auch über Else Ury, die mit ihren grauenhaften „Nesthäkchen“-Romanen Generationen von Mädchen erschreckte, ist heute kaum bekannt. Ihre Lebensgeschichte ist mehr als tragisch. Die assimilierte Jüdin und Hurra- Patriotin, die mit ihren insgesamt 39 Romanen Millionenauflagen erreichte, erhielt schon 1933 Schreibverbot, wurde 1943 deportiert und ermordet. Aber seit die Leiterin des Charlottenburger Heimatmuseums über die Medien nach Zeitzeugen und anderen Spuren ihres Lebens suchte, steht ihr Telefon nicht mehr still. Deswegen soll die Ausstellung mit neuen Erkenntnissen laufend ergänzt werden – quasi ein Forschungsprojekt der Gesamtbevölkerung. Ute Scheub
Weitere Veranstaltungen sind dem Programm zu entnehmen, das über das Rathaus Charlottenburg angefordert werden kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen