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■ Straßmanns kleine WarenkundeDie Strupptasche, herausnehmbar

Die Strupptasche, herausnehmbar, ist etwas so Zauberhaftes, daß man, wäre sie ein Vogel, nicht zögern würde, sie eine zweite Nachtigall zu nennen. Singend würde sie sich erheben über dem Jammertal, das wir Erde nennen, preisen die Zeit, als die Menschheit das Wort „Strupptasche“ noch kannte, und spotten den Feinden, die da heißen Bree und Samsonite.

Fragen wir, testhalber, die Fachverkäuferin von Sonneck, Koffer, Taschen, Gürtel, Schüsselkorb. Wir: „Kennen Sie Strupptaschen, herausnehmbar?“ Die Fachverkäuferin: „???“ Ihre Kollegin denkt für eine Geschäftsfrau in bester Lage unendlich lange nach, dann fördert sie empor: „Als ich Lehrling war, so vor 22 Jahren, da gab es so Strupptaschen. Aber schon damals (sie flüstert, sie ist nicht die Inhaberin) waren sie ein Ladenhüter.“ Dann führt sie uns nach unten.

Unten öffnet sie alle Koffer. Von Bree bis Samsonite. Nix. Der letzte Koffer – in anderen Geschäften läge Staub drauf, nicht so bei Sonneck! – aber hat sie: Strupptaschen, herausnehmbar.

„Früher waren sie aus Leder, geflochten. Oder aus Plastik. Man konnte mit einkaufen gehen.“ Sie denkt ein wenig über die Zeit vor 22 Jahren nach, Magermilch, Hafergrütze, Volkswagen mit Holzvergaser, Strupptaschen, herausnehmbar. „Tja,“ trillert sie, flattert fort zur Kundschaft, zwei feine Leute, die nach Cälifornien wollen. Wir geben ihnen einen Tip: „Kaufen Sie eine Strupptasche! Sie ist herausnehmbar! Die letzte ihrer Art. Sie kann singen!“ Die feinen Leute schütteln irritiert den Kopf, als hätte ein Gespenst zu ihnen gesprochen.

Die Strupptasche ist das beste Beispiel dafür, daß es keinen Warenfortschritt gibt. Samsonite und Bree statten ihre teuren „Koffer“, die zudem immer so häßlich mit den Rädchen quietschen, manchmal mit reißverschlußgesicherten Innentaschen aus. Wer weiß, wie kaputt Reißverschlüsse gehen können, zieht immer den sog. „Struppverschluß“ vor.

Und nun zum Struppverschluß, nebst einer ethymologischen Abschweifung: Der Struppverschluß besteht aus zwei Federeisen, auf die das angekrauste Ledergeflecht aufgezogen wurde. Die Federeisen werden zum Öffnen auseinandergezogen. Jetzt stopft man schmutzige Socken oder Papierpesetas hinein und dann, hören Sie mal genau hin: ... macht es „strupp!“ Und die Strupptasche, herausnehmbar, ist aufs Sicherste zugeschnappt. Voilà! BuS

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