: Und es war Sommer...
■ „Zehn Messer ins Herz“ von Marius Holst (Wettbewerb)
Es ist die immer wieder beliebte Kinogeschichte von dem einen Sommer, der das Leben eines jungen Menschen völlig verändert. Hier heißt er der „Sommer, in dem ich Angst vor der Dunkelheit bekam“. Man kann das dechriffieren: Es ist die Angst vor dem Tod, die Erkenntnis, daß Leben vergänglich ist. Und all das wird auch weiterhin ein Stoff sein, aus dem man große Kinoerlebnisse stricken wird – natürlich auch noch nach „Zehn Messer ins Herz“. Otto lebt irgendwo kurz vor der Pubertät in einer ferienleergefegten norwegischen Kleinstadt allein mit Eltern, Nachbarn und einem geheimnisvollen Fremden. Der bringt ihn dazu, den Schiedsrichter eines Fußballspiels mit einem Stein niederzustrecken, beginnt ein Verhältnis mit der hübschen Nachbarin, einen Händel mit dem Hausmeister und hat eine geheimnisvolle Beziehung zu Ottos Mutter. Überhaupt passiert viel Unheil, aber das muß so sein, denn Otto muß erwachsen werden in nur diesem einen Sommer.
Marius Holst nimmt in seinem Spielfilm-Debut vollständig die Perspektive des Kindes ein, auch wenn die Kamera immer nur konventionell das Geschehen mitnimmt. Und so wie die Augen eines Kindes vielleicht weniger durchschauen, aber doch ganz sicher immer leichter verstehen, begreift auch der Zuschauer plötzlich die Ängste, die oft nur auf Mißverständnissen beruhen. Otto registriert sehr genau die kleinen Gesten, die den Stand der Beziehung seiner Eltern ausdrücken, und weiß sie zu deuten. Martin Dahl Garfalk hat als Otto zwar nicht viel zu reden, aber kommentiert mit seinen großen Rehaugen das Geschehen um ihn herum weit besser, als es viele Worte könnten. Und so macht die große kleine Entdeckung Garfalk diesen Film zum Kino, wenn Kino auch heute noch etwas mit Gesichtern zu tun haben sollte.
Und ebenso wie anderes, wirklich großes Kino löst auch dieser Film keine wichtigen Geheimnisse, aber doch ein paar Beklemmungen aus der Kindheit, die immer auch die beste Zeit für das Kino war. to
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