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Der Kampf um die Unterhosen des Premierministers Von Ralf Sotscheck

Selbst für einen anständigen Sexskandal ist er zu farblos. Was die britischen Boulevardzeitungen in der vergangenen Woche über John Major enthüllten, taugt kaum für einen Dreigroschenroman: Im Alter von 20 Jahren hatte der Premierminister ein Verhältnis mit einer 13 Jahre älteren, geschiedenen Nachbarin, deren Kinder „Onkel John“ zu ihm sagten. „Major als Toy Boy“, trompeteten die Gossenblätter, während seinen Parteikollegen nur ein Gähnen zu entlocken war. „Bei verschiedenen Stämmen ist so etwas gang und gäbe“, meinte ein Tory.

Die inzwischen 65jährige Jean Kierans hat dreißig Jahre dichtgehalten. Herausgekommen ist die Geschichte nur durch Zufall: Der Journalist Michael Crick, der an einer Biographie des Tory-Schriftstellers Jeffrey Archer arbeitet, stieß bei der Recherche auf eine merkwürdige Adresse: Bei seiner ersten Unterhaus-Kandidatur hatte Major als Wohnort das Haus von Jean Kierans ins Wahlregister eingetragen. In Null Komma nix fanden die Boulevard-Reporter heraus, daß die Ex-Liebhaberin heute in Streatham lebt – einem verschnarchten Londoner Vorort, der in den siebziger Jahren einmal in einer überregionalen Zeitung Erwähnung fand, weil ein Elvis- Doppelgänger von dort stammte.

Pech für die Presse, daß Jean Kierans noch immer dichthält. Dafür plaudern ihre beiden Kinder sowie Majors Jugendfreunde um so mehr: Sie habe ihn „Rover“ genannt, er habe „Mabel“ zu ihr gesagt. Weil es in seinem Elternhaus zu eng war, machte Rover seine Hausaufgaben bei der Nachbarin. Irgendwann sind sie in den gemeinsamen Urlaub nach Spanien gefahren – unter Aufsicht von Majors Mutter Gwen. Der Mutter war es freilich völlig schnuppe, ob Kierans mit ihrem John ins Bett ging. Aber daß sie ihm die Unterhosen wusch, ging dann doch zu weit. Das war schließlich Muttersache, und so entbrannte zwischen den beiden Frauen ein heftiger Streit um die Boxershorts des künftigen Premiers.

Es war Jean Kierans, die Major einen Job in einer Bank verschaffte und ihn zum Eintritt in die Tory- Jugend überredete – eine Tatsache, die ihr einige Kolumnisten jetzt schwer ankreiden. Als Major seine Norma traf, beendete er das Verhältnis, schenkte der alten Freundin zum Abschied jedoch ein Reader's Digest-Abonnement, das er pflichtbewußt Jahr für Jahr erneuerte. Dennoch fühlte Kierans sich verraten. „Geschieht ihr recht“, schrieb der Guardian kaltherzig, „warum soll es ihr besser gehen als seinen WählerInnen?“

Auch in Irland hat die Kierans- Affäre für Wirbel gesorgt, denn man hat herausgefunden, daß die ehemalige Liebhaberin irischer Abstammung ist. „Möglicherweise hat diese Affäre bei ihm schon in jungen Jahren ein Interesse an Irland geweckt, das dem Friedensprozeß im Norden des Landes heute zugute kommt“, dumpfbackte ein Journalist in einer Talkshow.

Weil die Kierans-Geschichte denn doch zu dünn ist, um auf eine Woche ausgewalzt zu werden, haben sich die britischen Boulevardblätter nun aufs Spekulieren verlegt: Es habe „drei Jeans gegeben, die sein Leben veränderten“, meldete ein Blatt. Wären es wenigstens Blue jeans gewesen, bemerkte ein Kommentator sarkastisch, dann wäre er heute vielleicht nicht ganz so grau.

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