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Flieger im Sand

Berlins geplanter Milliarden-Mega-Airport kommt ins Kreuzfeuer der Rechnungsprüfer  ■ Von Dirk Wildt

Berlin (taz) – Braucht die Bundesrepublik neben den Großflughäfen Frankfurt am Main und Münchnen II wirklich einen dritten Mega-Airport? Die Länder Berlin und Brandenburg sind seit Freitag letzter Woche in dieser Frage mit dem Bund einer Meinung. Der Regierende Bürgermeister, Eberhard Diepgen (CDU), Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) und Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) einigten sich auf ein Ja. 2010 soll es auf den Start- und Landebahnen von „Berlin Brandenburg International“ (BBI) losgehen.

Mit 40 Millionen Passagieren sollen mehr Fluggäste im märkischen Sand südlich der Hauptstadt abheben als heute in Frankfurt am Main und viermal mehr als von den derzeit vorhandenen Berliner Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld.

Doch der Beschluß des Ministertrios, deren Vertreter im Aufsichtsrat der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF) sitzen und die den neuen Airport bauen will, wackelt. Das Megaprojekt soll 15 Milliarden Mark kosten, doch ob es notwendig ist, konnten weder die drei Spitzenpolitiker noch Lobbyisten wie Gewerkschaften und Parteien schlüssig begründen. Alle Prognosen, auf die man sich berief, mußten mit der Zeit nach unten korrigiert werden. Sollte der neue Willy-Brandt-Flughafen nicht ausgelastet werden, die errechneten Gewinne nicht abwerfen, werden sich auch keine Privatinvestoren finden.

Schlechte Aussichten für das Projekt also, zumal dann, wenn man den am Wochenende bekanntgewordenen Bericht des Bundesrechnungshofes befragt. Darin wird nun erstmals amtliche Kritik am Vorhaben formuliert. Der Spiegel hat in die Schubladen der Rechnungsprüfer geschaut und den Bericht vorab gelesen. Darin heißt es, der Flughafen werde auf einer Grundlage geplant, die „Risiken für die öffentlichen Haushalte in Milliardenhöhe beinhaltet“. Es werde „ohne Not zu groß geplant“. Dem Bundesverkehrsministers raten die Prüfer „dringend“ alle Entscheidungen in dieser Sache „zurückzustellen“.

Die Retourkutschen aus Bonn und Berlin gehen zielstrebig an den Vorwürfen vorbei. „Das Gutachten bringt nichts neues“, meinte Wissmann-Sprecher Veit Steinle. Ministerpräsident Stolpe räumte ein, man nehme die „Zahlenspiele“ sehr ernst, jedoch er wie auch Diepgen und Wissmann könnten dem Bericht nicht entnehmen, daß der Bundesrechnungshof den Flughafen in Frage stelle.

Tatsächlich, so scheint's, moderieren die Bonner Minister und die Berliner CDU-Spitze das Projekt leise ab. Bundesbauminister Klaus Töpfer sagte kürzlich, es werde geprüft, ob nicht auch der Ausbau der vorhandenen Berliner Flughäfen genüge. Der einflußreiche Berliner CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky denkt laut darüber nach, ob zunächst nicht der Airport Berlin-Schönefeld ausgebaut werden sollte. Diese Gedankenspiele laufen alle vor dem Hintergrund der problematischen Finanzlage der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF). Abgesehen davon, daß die Holding durch mißglückte Spekulation mit einem 118 Hektar großen Acker nahezu Pleite ist, haben ihre Gesellschafter, die Länder Berlin und Brandenburg (jeweils 37 Prozent) sowie der Bund (26 Prozent) kein Geld in den öffentlichen Kassen. Zwar sollen internationale Banken sich am Bau beteiligen, doch eine Beteiligung am Risiko lehnen diese bislang strikt ab.

Wo der neue Flughafen hin soll, ist ohnehin nicht klar. Käme er nach Sperenberg, 40 Kilometer südlich von Berlin, müßten 22 Millionen Bäume abgeholzt werden. Allein wegen dieser enormen Fällaktion ein absurder Vorschlag, der auch dem Berliner Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) mißfallen muß, der im kommenden Monat den Klimagipfel in der Stadt eröffnen soll. Das läßt die Berliner und Brandenburger SPD sowie die Brandenburger CDU unberührt – sie halten an Sperenberg fest. Die Befürworter für diesen Standort lehnen die Alternative Schönefeld-Süd ab. Hier müßten zwei Dörfer umgesiedelt werden, und Politiker fürchten wegen der Stadtnähe ein Nachtflugverbot. Doch in einem von der Flughafenholding in Auftrag gegebenen Gutachten wird Schönefeld-Süd aus betriebswirtschaftlichen und verkehrstechnischen Gründen favorisiert.

Größere Schwierigkeiten räumten die Befürworter des Mega-Airports ein. Um den Eröffnungstermin im Jahr 2010 zu halten, wollen Wissmann, Diepgen und Stolpe das umstrittene Verkehrswegebeschleunigungsgesetz über 1995 hinaus verlängern lassen.

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