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Baue jetzt, bezahle später

■ Mit leeren Kassen dennoch bauen: Der Senat probiert neue Finanzierungswege / Landeshaushalt soll um 1,3 Milliarden Mark entlastet werden / Leasing-Bau für neues Rathaus in Mitte vor der Entscheidung

Ob es das Krematorium am Baumschulenweg oder ein Obdachlosenheim in der Steglitzer Zimmerstraße ist – angesichts der drückenden Schuldenlast des Landes werden immer mehr öffentliche Einrichtungen privat finanziert. „Kürzere Bauzeiten und eine Kostenreduzierung bis zu 30 Prozent“, bringt Klaus-Hubert Fugger, der Sprecher der Finanzverwaltung, die Vorteile der Sonderfinanzierungsformen auf einen Nenner.

Um rund 1,3 Milliarden Mark soll der Haushalt in einer ersten Phase entlastet werden. Davon entfallen allein 800 Millionen Mark auf den dritten Bauabschnitt der Messehallenerweiterung. Bis zum Juli 1997 soll dieses Vorhaben abgeschlossen sein. Eines der ausgefallensten Projekte steht Ende Februar zur Entscheidung an: der Neubau eines Rathauses in Mitte.

Derzeit ist die Bezirksverwaltung noch auf 29 Außenstellen verteilt. Die Bewerber – vier von insgesamt achtzehn kamen nach einer EU-weiten Ausschreibung in die engere Auswahl – sollen nicht nur bis Mitte 1996 die neue Heimstatt bauen, sondern zugleich auch ein Grundstück zur Verfügung stellen. „70 bis 80 Millionen Mark“ seien für das Gesamtprojekt vorgesehen, meint Mittes Bürgermeister Gerhard Keil (SPD).

Die Art der Finanzierung ist bislang noch unklar. Zwei Modelle stehen zur Debatte: Mietkauf oder Leasing. Entscheidend wird voraussichtlich die Frage sein, ob das Land nach einer zuvor mit dem Investor festgelegten Zeitspanne das Gebäude erwerben will. Während dies beim Mietkauf zwingend geboten ist, kann beim Leasing die Option notfalls offenbleiben.

Drei weitere Projekte – der dritte Abschnitt der Messehallenerweiterung, der Neubau von fünf Sporthallen in Hellersdorf und Hohenschönhausen sowie die Jugenduntersuchungshaftanstalt Kieferngrund – werden über die sogenannte „Fortfaitierung“ finanziert. Darunter wird folgendes Verfahren verstanden: Ein vom Land beauftragter Generalunternehmer wird nicht aus der öffentlichen Hand, sondern in der Zwischen- und Endphase durch eine oder mehrere Banken finanziert. Das Land wiederum muß die zuvor festgelegten Verbindlichkeiten plus Zinsen bei dem oder den Geldinstituten tilgen. Ergänzt werden die drei Modelle der Sonderfinanzierung in jüngster Zeit durch die Idee, öffentliche Einrichtungen nach einem bestimmten Mietkauf- oder Leasingzeitraum gar nicht erst zu kaufen, sondern durch einen Privaten weiterbetreiben zu lassen. In diese Überlegungen hat die Finanzverwaltung das geplante Krematorium im Baumschulenweg mit einbezogen. Das Ausschreibungsverfahren für die Leichenverbrennungsanlage, dessen Sonderfinanzierungsvolumen von der Finanzverwaltung 1994 mit 74 Millionen Mark veranschlagt wurde, läuft bis Anfang Februar. „Wir schließen auch eine Betreibergesellschaft als eine der möglichen Alternativen nicht aus“, meint Fugger.

Die Privatfinanzierung ist keineswegs unumstritten. Der finanzpolitische Experte der bündnisgrünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, Arnold Krause, befürchtet nicht nur „Abstriche bei der Architektur und bei städtebaulichen Lösungen“, sondern auch eine Verschiebung aktueller Finanzprobleme auf kommende Generationen. Zwar werde kurzfristig der Haushalt entlastet, langfristig aber durch Leasing- und Mietraten möglicherweise belastet. Die derzeit noch geltende und auf fünf Jahre angelegte mittelfristige Finanzplanung sei hiermit überfordert. Krauses Forderung: Die Folgelasten der Sonderfinanzierungen müßten bei Haushalts-, Finanz- und Investitionsplanung berücksichtigt werden. Severin Weiland

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