: Video Fest
Irgendwo am Ende der Welt läuft immer noch einer mit seiner Handkamera herum und staunt über die Menschen, die ihm dort begegnen. In „Dog Man“ ist es ein Hundehändler, den Jon Alpert auf dem Schwarzmarkt von Gorki-Stadt aufgespürt hat. Die beiden Männer freunden sich auf Anhieb an, der sympathische Russe führt den amerikanischen Dokumentarfilmer zu einem Verschlag, wo er rudelweise Bestien züchtet. Dann wird die Familie vorgestellt, sie albern und baden zusammen, nur die Hunde schnappen argwöhnisch nach dem Fremden. Doch auch das legt sich mit der Zeit. Schließlich sagt Alpert 'Auf Wiedersehen', packt seine Handycam wieder ins Gepäck und zieht weiter. Nebenbei ist ein Sieben- Minuten-Film entstanden, über Lebensbedingungen der Landbevölkerung im Rußland nach Glasnost — Umweltkatastrophen, mangelnde Gesundheitsversorgung und poststalinistischer Alterstrübsinn inklusive. Investigativer Journalismus als Kaffeefahrt.
Man kann sich nur schwer vorstellen, wie Alpert zum Bildreporter geworden ist: Möglicherweise wollte er nie etwas anderes als Urlaubsfilme drehen. Alpert jedoch fährt nicht nach Acapulco, sondern besucht auf Cuba Fidel Castro. Im vergangenen Jahr lief ein Gespräch mit dem Diktator auf dem Video Fest, Alpert hatte dafür extra amerikanisches Bier mitgebracht. Zuvor hatte er allerdings noch schnell frustrierte Arbeitslose interviewt, die am nächsten Tag per Floß fliehen wollten.
Auf der Berlinale wurde dieses Jahr als Panorama- Beitrag eine Co-Produktion von Nina Rosenblum und Jon Alpert über Rikers Island gezeigt, wohl einer der besten Knastfilme, die je gedreht wurden: Dort leben 17.000 Inhaftierte, fast die Hälfte wegen Drogendelikten, viele von ihnen sind an Aids erkrankt. Selbst an diesem Ort scheint der Filmemacher Freunde zu finden: „Good luck“ wünscht ihm Eddie, der wegen mehrfachen Mordes zu viermal lebenslänglich verurteilt worden ist. Und der atural born filmmaker winkt ein letztes Mal zurück, während der schüchterne Schwarze von sechs Sicherheitsbeamten abgeführt wird. hf
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