: Bündnisgrüne und PDS für Hausbesetzungen
■ Streit um Wohnungsnotstand: Opposition kritisiert Senat wegen Blauäugigkeit / CDU fordert Rücktritt von Baustadtrat
Der Verfall und Leerstand Tausender Wohnungen in Ostberlin (siehe taz-Dienstagausgabe) führte gestern zu einer scharfen Kontroverse zwischen der Koalition und den Oppositionsparteien. Die CDU forderte den Rücktritt des Baustadtrats in Prenzlauer Berg, Matthias Klipp, der beklagt hatte, daß angesichts der Wohnungssituation in seinem Bezirk offenbar nur noch „Besetzungen helfen, um die Verantwortlichen auf diese Probleme aufmerksam zu machen“. Die Bündnisgrünen hätten offenbar immer noch „ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat und zur Demokratie“, konterte gestern CDU-Fraktionsgeschäftsführer Volker Liepelt. – Unterstützung bekam Klipp dagegen von Bündnis 90/Die Grünen und der PDS. Wenn die Politiker den Kopf in den Sand stecken, helfen tatsächlich nur noch Besetzungen, sagte die bündnisgrüne wohnungspolitische Sprecherin, Elisabeth Ziemer. Martina Michels von der PDS forderte angesichts des Versagens des Senats sowohl Besetzungen als auch politischen Druck durch die Mieter.
Grund für die deutlichen Worte ist neben dem Verfall von 8.500 notverwalteten Wohnungen allein in Prenzlauer Berg vor allem das „Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz“. Bei Gebäuden mit Restitutionsanspruch – betroffen sind allein in Prenzlauer Berg 12.000 Wohnungen – dürfen die Wohnungsbaugesellschaften rückwirkend seit Juli 1994 die Instandsetzungskosten nicht mehr aus den Mieten finanzieren.
Obwohl Bündnis 90/Die Grünen, PDS und Wohnungsbaugesellschaften bereits vor Verabschiedung des Gesetzes im Bundesrat gegen diese Bestimmung Sturm liefen, stimmte der Senat dem Machwerk im vergangenen September zu. Offizielle Begründung: Man wolle nicht das ganze Gesetz scheitern lassen, alles andere könne nachgebessert werden, so Bausenator Nagel (SPD). Die Kritik der Wohnungsbaugesellschaften nannte Nagel eine „unverantwortliche Panikmache von selbsternannten Experten, die den Durchblick verloren haben“.
Nun kann Nagel selbst durchblicken: Die restriktiven Bestimmungen des Gesetzes zwangen die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP) inzwischen, nur noch die „Beseitigung erheblicher Bauschäden“ in Angriff zu nehmen. In vielen Fällen werden Wohnungen nicht weitervermietet, weil das Geld für die Instandsetzung fehlt. Die von Nagel angekündigte Nachbesserung ist bislang nicht in Sicht. Für die Bündnisgrünen ist das Entschädigungsgesetz daher Anlaß, politischen Druck auf die Verantwortlichen auszuüben. Besetzungen ausdrücklich eingeschlossen. Uwe Rada
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