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Vertrauen auf türkische Behörden – ein Unding!

■ Nesin und EU-Abgeordnete klagen an

Hamburg/Straßburg/Ankara (dpa/AFP/taz) – Scharfe Kritik an der deutschen Abschiebepraxis von Kurden in die Türkei hat der prominente türkische Schriftsteller Aziz Nesin in einem Interview mit dem Hamburger Magazin Stern geübt. „Abschiebung im Vertrauen auf türkische Behörden“, sagte Nesin, „halte ich für ein Unding.“

„Zeit meines Lebens hat sich die Unterdrückung der Kurden bei uns ständig verschärft“, sagte der Schriftsteller. „Seit Jahrzehnten herrschen bei uns Unterdrückung und Folter. Es gibt unzählige Morde, deren Täter nie ermittelt wurden.“ Die „Zwänge“ in seinem Heimatland seien durchaus vergleichbar mit der Nazi-Zeit, „wo sich Deutsche, die im Ausland die regimetreue Justiz angeprangert haben, in Todesgefahr begaben“.

Auch im Europaparlament wurden gestern die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei verurteilt. In diesem Zusammenhang äußerten sich Sprecher der wichtigsten Fraktionen ablehnend über die rasche Bildung der Zollunion mit der Türkei. Die Mehrheit der Parlamentarier forderte außerdem eine Trennung der Türkei-Frage von Beitrittsverhandlungen mit Zypern. Die Vertreter des Ministerrates und der Kommission der EU plädierten für eine fristgerechte Bildung der Zollunion zum 1. Januar 1996.

Einen Tag vor der Debatte im Europaparlament hatte die Staatsanwaltschaft in Ankara im Prozeß gegen sechs türkische Menschenrechtler Haftstrafen von bis zu 20 Jahren beantragt. Wie die türkische Nachrichtenagentur Anatolien meldete, wurde den führenden Mitgliedern der türkischen Menschenrechtsvereinigung aus Diyarbakir in der Anklageschrift vorgeworfen, als „örtliche Vertreter“ der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) tätig gewesen zu sein. In der Provinz Diyarbakir selbst sind in der Nacht zum Dienstag mindestens 33 Guerillas der PKK getötet worden. Der Einsatz des türkischen Militärs in der Region dauerte gestern weiter an. kim

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