: Konsequente Dreistigkeit
■ betr.: „Wolken über Garching“, taz vom 9. 2. 95
Die Reaktion der „Projektgruppe FRM II“ auf die Entscheidung der US-Regierung, den Bau des Forschungsreaktors „Advanced Neutron Source (ANS)“ zu stoppen, ist in ihrer Dreistigkeit durchaus konsequent. Die Mißachtung amerikanischer Bestrebungen, die Nutzung hochangereicherten, waffenfähigen Urans (HEU) im Forschungsbereich zu unterbinden, zieht sich nämlich durch die Planungsgeschichte des FRM II wie ein roter Faden.
Seit 1978 existiert das RERTR- Programm zur Abreicherung des Brennstoffs für Forschungs- und Testreaktoren unter die für den Waffeneinsatz kritische Marke von 20 Prozent Uran 235. In Deutschland wurde im Zuge dieses Programmes der Reaktor in Geesthacht (FRG-1) auf niedrig angereichertes Uran (LEU) umgestellt. Zusätzlich wurden umfangreiche Untersuchungen getätigt, um den Neutronenforschern Brennstoffe zur Verfügung stellen zu können, die trotz des niedrigeren Gehaltes an Uran 235 hohe Neutronenflüsse gewährleisten.
Die Planer des FRM II ficht dies jedoch nicht an. Sie ignorieren das RERTR-Programm und planen den Einsatz von HEU im FRM II. Damit nicht genug – sie wollen das extra für die Umstellung auf LEU entwickelte Uran-Silizid für diese Zwecke mißbrauchen – geplant ist ein Gehalt an Uran 235 von 93 Prozent – und feiern diese noch als technologische Spitzenleistung! Leute wie Paul Leventhal, Leiter des privaten Nuclear Control Institute, NCI, die sich die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen als Lebensziel gesetzt haben, werden als Phantasten, Verhinderer des wissenschaftlichen Fortschritts und Erfüllungsgehilfen der Konkurrenz hingestellt. Die von amerikanischen Kollegen geplante ANS diente dabei als willkommene Argumentationshilfe.
Das Ende des ANS-Projektes in den USA führt indes keineswegs zu einem Umdenken bei den FRM-II-Planern – Im Gegenteil. Man ignoriert die Absicht der USA, durch den Verzicht auf die Verwendung von HEU in einem neuen Forschungsreaktor mit gutem Beispiel voranzugehen, und versucht finanzielle Gründe für die Einstellung des Projektes in den Vordergrund zu stellen. Man geht sogar weiter und fühlt sich – wieso eigentlich? – in den eigenen Planungen „bestärkt“.
Wer schützt uns vor solchen „Wissenschaftlern“? Gäbe es einen Nobelpreis für Unverschämtheit – ich hätte einen Vorschlag für die diesjährigen Preisträger! Peter Bergmann, Garching
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