: Liebesromane mit sozialistischem Inhalt
■ Die Emanzipation der Frauen und die Schaffung des „neuen Menschen“ – für viele Kulturschaffende der DDR standen diese beiden Ziele in unmittelbarer Verbindung.
„Trotz guter Erfolge haben wir es noch nicht geschafft, unsere jungen Menschen ganz von der schlechten Literatur loszulösen. Noch immer kommt es in unserem Betrieb vor, daß Liebesromane aus Westdeutschland gelesen werden. In diesem Zusammenhang habe ich schon einmal – in Buna auf der Mädchenkonferenz – die Bitte an unsere Schriftsteller gerichtet, sie möchten doch Schnelleseheftchen für Mädchen schreiben, so, wie sie auch für die Jungen geschrieben werden. In den Brigaden der sozialistischen Arbeit müßte es doch Material für kurze Erzählungen geben. Es soll dort tatsächlich noch vorkommen, daß ein Mädel einen jungen Burschen liebt. So könnten die von unseren Mädels so gewünschten Liebesromane mit gutem sozialistischen Inhalt entstehen. ... Aber es kommt auch immer noch vor, daß die Männer zu Hause sehr unvernünftig sind; sie möchten das saubere Hemd hingelegt und die Schuhe geputzt haben, und sie sind der Meinung, daß dafür die Frau zu sorgen habe. Darüber zu schreiben müßte doch sehr interessant sein.“
Ursula Ruck, VEB Welton, Rede auf der Bitterfelder Konferenz 1959
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„Es gibt noch komische Männer, auch Funktionäre bei uns, die zwar mehr oder weniger gute Referate über die Gleichberechtigung der Frau halten, aber in der Praxis ganz anders handeln. Diese Beispiele habe ich versucht, an Hand einer literarischen Gestalt zu verallgemeinern, um durch eine satirische Kurzgeschichte eine Diskussion darüber zu entfachen. Von Seiten der Redaktion der Lausitzer Rundschau, der ähnliche Probleme aus dem Rat des Bezirkes bekannt waren, wurde von mir die Genehmigung eingeholt, als Untertitel zu setzen „Für die Wandzeitung des Rates des Bezirkes bestimmt!“ Ich muß ehrlich sagen, daß ich hinterher selbst erschrocken war, als ich feststellte, wer sich alles in dieser Hauptgestalt wiedersah und wer sich dadurch benannt fühlte. Natürlich wollte ich erreichen, daß man über dieses Problem der Frauenförderung diskutiert und überlegt, was besser gemacht werden kann. Der Nachteil an der Sache war aber, daß meine Frau zufällig im Rat des Bezirkes arbeitet und eines Abends sehr verstört nach Hause kam. Der Grund dafür war, daß in einer Parteigruppenversammlung plötzlich, ohne vorherige Aussprache, das Verhalten der Genossin Schneider auf die Tagesordnung gesetzt wurde. ... Die ganze Parteigruppe verschwendete ihre Kraft darauf, meiner Frau von allen Seiten zuzusetzen und ihr die gröbsten Beleidigungen an den Kopf zu werfen, die sogar darin gipfelten, daß auch in der Familie etwas nicht in Ordnung sein könne, wenn es ihr nicht gelänge, die Veröffentlichung einer solchen Kurzgeschichte zu verhindern.“
Hans Schneider, Schriftsteller. Rede für die Bitterfelder Konferenz, die aus „Zeitgründen“ nicht gehalten werden konnte.
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„Die ganze Zeit wurde hier von den Vätern gesprochen. Niemand hat die Mütter auch nur erwähnt. Den größten Teil der männlichen Hälfte der Menschheit, die machtlosen Männer, hat man jahrtausendelang geschichtlich enteignet; aber die andere, weibliche Hälfte der Menscheit, die Sklaven der Sklaven, wurde in diesem Sinne doppelt expropriiert. ... Die große griechische Kultur basiert auf der Sklavenhalterordnung. Die großen künstlerischen, wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften der Kultur, die wir jetzt haben, basieren auf der Frauenhalterordnung. Diese Basisfunktion der Frauen war zwar ganz und gar ruhmlos, aber doch und nicht nur indirekt, geschichtsbildend. Wenn die Frauen gegenwärtig beginnen, Menschen werden zu wollen, das heißt, sich Natur anzueignen, zuerst ihre eigene, brauchen sie das Bewußtsein ihrer Geschichte – als Vorgabe und Widerstandskraft.“
Irmtraud Morgner auf dem siebten DDR-Schriftstellerkongreß, 1973
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