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Eine Großmacht aus Kleingeistern

■ Um außenpolitisch handlungsfähig zu bleiben, muß Clinton erst einmal innenpolitisch auftrumpfen / Veto erwartet, falls republikanischer Gesetzentwurf zur Einschränkung der Außenpolitik durchkommt

Washington (wps/taz) – Boykottieren die USA bald ihre eigene weltpolitische Großmachtrolle? Eine erbitterte Debatte ist derzeit im US-Kongreß über einen von der neuen republikanischen Mehrheit eingebrachten Gesetzentwurf zur zukünftigen US-Außenpolitik im Gange, der, wenn umgesetzt, einen Rückfall in alte isolationistische Zeiten bedeuten würde. Der National Security Revitalisation Act soll unter anderem die außenpolitischen Entscheidungsbefugnisse des Präsidenten verringern und die USA von UNO-Operationen fernhalten.

Die Debatte im Repräsentantenhaus begann am Mittwoch mit scharfen Tönen: Der zu den Demokraten gehörende US-Präsident Bill Clinton erklärte in einem Brief an den zu den Republikanern gehörenden Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, die republikanischen Pläne enthielten „zahlreiche fehlerhaften Vorschläge, die einfach unannehmbar sind“. Seitdem wird erwartet, daß der Präsident sein Veto einlegt, falls die Parlamentarier den Gesetzentwurf annehmen. Außenminister Warren Christopher und Verteidigungsminister William Perry haben dies bereits gefordert. Zum Debattenauftakt wedelten demokratische Abgeordnete mit empörten Briefen von Generälen und Admirälen.

Es geht nämlich um Clintons Autorität und die der Regierung: Das Gesetz würde jeden US-Präsidenten daran hindern, ohne Kongreßzustimmung Truppen im Ausland einzusetzen. Bisher ist laut dem War Powers Act von 1973 nur zwingend vorgeschrieben, daß der Präsident bei einer eigenmächtigen Truppenentsendung binnen 60 Tagen die Zustimmung des Kongresses einzuholen hat. Das Gesetz der Republikaner würde auch die Regierung zu der peinlichen Aufgabe zwingen, von der UNO eine Rückzahlung der bisher von Washington für UNO-Einsätze ausgegebenen Gelder zu verlangen. Ursprünglich war sogar – unter Hinweis auf das Somalia-Debakel der UNO – vorgesehen, US-Beteiligungen an UNO-Missionen unter ausländischem Kommando generell zu verbieten; das haben die Republikaner inzwischen abgeschwächt, indem sie nun eine Teilnahme an solchen UNO-Einsätzen gestatten wollen, die die Amerikaner ansonsten auch alleine unternommen hätten.

Eine Abtimmung im Repräsentantenhaus über das ganze Paket wurde frühestens gestern abend erwartet. Inzwischen hat sich das Haus bereits knapp – mit 218 gegen 212 Stimmen – gegen die im Gesetzentwurf vorgesehene Entwicklung eines neuen SDI-Waffensystems ausgesprochen. Der Gesetzentwurf wird nach dem Repräsentantenhaus den Senat beschäftigen, wo ebenfalls Isolationismusfieber ausgebrochen ist: Ein Haushaltskomitee des Senats hat vorgeschlagen, die Auslandshilfe drastisch zu beschneiden – so sollen die Ex-UdSSR, Irland, die Türkei, Griechenland und Zypern nach dem Jahr 2000 überhaupt kein Geld mehr bekommen – und verschiedene andere staatsfinanzierte, auslandsorientierte Unternehmen wie die Radiosender „Voice of America“ einzustellen.

Letztlich haben solche Vorschläge jedoch wenig Chancen. Laut Insidern im Kongreß ist in diversen Arbeitsgruppen verschiedenen Teilen der republikanischen Vorschläge die Möglichkeit hinzugefügt worden, daß der Präsident die neuen Bestimmungen im dringenden nationalen Interesse ignorieren kann. Die ganze außenpolitische Debatte ist also mehr Schall und Rauch – aber gerade daher muß Clinton auftrumpfen, will er nicht in die Defensive geraten. Was für Folgen Isolationismus hat, wurde unterdessen bei einer Kongreßanhörung deutlich, auf der der Leiter des Büros von amnesty international in Washington, James O'Dea, die US-Regierung der „Untätigkeit“ bezichtigte: Die Länder, die gegen die Menschenrechte verstoßen, wüßten genau, daß Clinton das Ziel einer Außenpolitik nach menschenrechtlichen Gesichtspunkten aus den Augen verloren habe. D.J.

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