: Vom Warten auf die Welle des Lebens
■ Als die Strände noch einsam waren und die Männer noch Männer – oder die Strände noch Strände und die Männer noch einsam / Eine kleine Geschichte des Surfens
Wer von zwei gleich guten Chip-Spezialisten der bessere Surfer ist, der wird unter Vertrag genommen. Das jedenfalls erzählt man sich in Kalifornien von der Firma „Apple Computers“. Fit sein, immer im Training, so lautet das Motto der Leistungsgesellschaft. Surfen gilt dabei als die kalifornischste Sportart. Das ursprünglich aus Hawaii stammende Wellenreiten ist mittlerweile zu einer urkalifornischen Lebenshaltung geworden. Huntington, an dessen berühmtenBeach alles begann, nennt sich jetzt sogar „Surf City“ und kommt damit durch. Wer im „Sugar Shack“ sitzt an der Mainstreet, Ecke Olive Avenue, der spürt sogar noch etwas von der Legende.
Hier treffen sich die „Veteranen“, Menschen ab Mitte Zwanzig, und erzählen sich Geschichten aus den guten alten Zeiten: Als die Männer noch Männer waren und die Strände einsam oder die Männer noch einsam und die Strände Strände. In der Erinnerung an ihre Surfabenteuer werden die Wellen dann von Mal zu Mal höher, denn im Leben eines wahren Surfers dreht sich alles um die Welle, die wahre Welle, die Welle seines Lebens, auf die er warten wird - ein Surferleben lang.
Bei Sonnenaufgang (oder Untergang) wird der Pickup geparkt und schnell in den „wetsuit“, die Gummihaut der Profis, geschlüpft. Das lange weiße Brett über den Kopf gestemmt, läuft der Surfer auf den Ozean zu, schmeißt sich ins Wasser und paddelt bäuchlings hinaus. Dahin, wo die großen Wellen sind. Jetzt kann es dauern.
Zwar kommen die Wellen in relativ gleichmäßigen Abständen, aber welche wird groß genug sein, daß er bis zum Ufer auf ihr reiten kann? Das gilt es am Hub des Wassers zu erspüren. Ist die richtige Welle da, braucht man den „swell“, die Dünung. Also hinauf auf das Brett, sich aufrichten, das Gleichgewicht halten und das Zusammenspiel von Board und Wellenkamm kontrollieren. Das ist der Surf: ein paar Sekunden rasante Fahrt in sprühender Gischt – und dann der Sturz, Auftauchen, das Haar rasch zurückwerfen und wieder hinaus ins Meer und auf die nächste Welle warten.
An der kalifornischen Küste wird seit dem Ende der zwanziger Jahre gesurft. Damals war der Sport mehr eine Lebenshaltung für Naturfreunde. Von der großen Surfindustrie, die heute mit Surfboards, Wetsuits und einer Unmenge unnützem Zubehör Millionen umsetzt, keine Spur. Auch gab es keine Sponsoren und Profi-Surfer, die auf der Jagd nach Preisgeldern rund um den Globus jetteten. Anfänglich fertigte man die Bretter selbst aus kalifornischem Rotholz. Die ganze Surferei hatte mehr Cliquencharakter, wie es „Doc Ball“, ein junger Zahnarzt aus Los Angeles, zwischen 1931 und 1941 mit Hunderten von Fotos dokumentiert. Der Tag begann auf dem Brett, dann wurden Fische gefangen und auf einem Feuer aus Treibholz zubereitet.
Von den sechziger Jahren berichtet Tom Wolfe in seinem Essay „The Pump House Gang“. Für diese Gang in Windansea Beach war Surfen die Aussteigerphase, nach dem High-School-Abschluß. Man rauchte Joints und wohnte in einer Garage, aus der man schnell wieder rausflog, wenn die Musik nachts zu laut war. Es war die Zeit der Beach Boys, die in Songs wie „Noble Surfer“ und „The lonely sea“ eigentlich alles sagten, was es über das Surferleben zu sagen gab.
Aus den Weltanschauungs-Surfern wurden später meist ganz normal Familienväter und Büromenschen, die zu Hause immer noch Surf-Musik hören – auf CD, versteht sich. Aber ab und an, nach einem stressigen Arbeitstag oder einem Ehestreit, fahren sie an den Strand und schauen sehnsüchtig aufs Meer.
An solch melancholischen Abenden sehen sie, daß es immer noch eine Menge Siebzehnjähriger gibt, die dieses Strandleben einen Sommer lang führen. Dazu die Surfer, die mit der Regelmäßigkeit von Ebbe und Flut wiederkehren und für ein paar Stunden nicht weiter als über das Board hinausschauen wollen. Andere sind beim Surfen geblieben, haben ihre Nische gefunden und verdienen eine Menge Geld mit dem anhaltenden Boom. Susanne Raubold
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